
Ein Büro, viel Idealismus – und eine Menge Verantwortung. Mit dem „Regionalwerk Haßberge“ haben sich die 26 Gemeinden des Landkreises Haßberge, darunter auch die Stadt Ebern, auf ein ambitioniertes Projekt eingelassen. Ziel: die regionale Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen – klimafreundlich, unabhängig, zukunftsorientiert. Doch neben der großen Vision stehen nüchterne Zahlen, juristische Details und politische Verantwortung. Und möglicherweise: ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko.
Im April 2024 beschloss der Stadtrat von Ebern einstimmig, sich am neu gegründeten „Regionalwerk Haßberge“ zu beteiligen – mit einer Gesamteinlage von 95.700 Euro, aufgeteilt auf zwei Jahre. Bürgermeister Jürgen Hennemann sprach von einem „zukunftsträchtigen Projekt“, bei dem man nicht einfach vorbeigehen könne. Denn Ebern habe – im Gegensatz zu anderen Kommunen – kein eigenes Stadtwerk und könne das „Energiethema“ nicht im Alleingang bewältigen.
Der politische Wille zur Teilnahme war eindeutig – ebenso wie die Unterstützung aller weiteren Kommunen des Landkreises. Insgesamt kam so ein Startkapital von 1,16 Millionen Euro zusammen, eingezahlt von Städten, Gemeinden und dem Landkreis Haßberge selbst. Die Organisation des neuen Energieunternehmens erfolgte in Form eines gemeinsamen Kommunalunternehmens – kurz: gKU. Die Rechtsform: eine Anstalt des öffentlichen Rechts.
Was steckt hinter dem Vorhaben? Kurz gesagt: das Regionalwerk soll künftig grünen Strom aus lokalen Windkraft- und Photovoltaikanlagen nicht nur erzeugen, sondern auch direkt im Landkreis Haßberge vertreiben – zu stabilen, bezahlbaren Preisen. So jedenfalls lautet das Versprechen auf der Website des Regionalmanagements Haßberge.
Für Bürgerinnen und Bürger wie auch für Unternehmen im Landkreis soll es dann – voraussichtlich ab Mitte 2025 – einen eigenen regionalen Stromtarif geben. Wie hoch dieser ausfallen wird, ist bislang nicht bekannt. Die Infrastruktur, die dafür nötig ist, befindet sich noch im Aufbau. Im Moment, so Landrat Wilhelm Schneider im August 2024 in der Main-Post, brauche man dafür „erst mal nur ein Büro“.
Langfristig sollen neue Arbeitsplätze entstehen. Marcus Fröhlich, Geschäftsleiter des Landratsamts und einer der beiden Vorstände des Regionalwerks Haßberge, bestätigte das. Zahlen nannte er jedoch nicht. Auch in dieser Hinsicht bleibt vieles noch offen – Aufbauarbeit in kleinen Schritten.
Doch zwischen der Euphorie für mehr interkommunale Zusammenarbeit und der Realität der Haushaltslage vieler Kommunen stellt sich eine entscheidende Frage: Wie hoch ist das finanzielle Risiko für die beteiligten Städte und Gemeinden?
Denn anders als bei einer GmbH – wie etwa den Regionalwerken Bamberg – gilt bei einem Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts die sogenannte Gewährträgerhaftung. Nach Artikel 89 Absatz 4 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) haften die Trägerkommunen unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des Unternehmens, soweit diese nicht aus dessen eigenem Vermögen gedeckt werden können. Im Klartext: Wenn das Regionalwerk pleitegeht, könnte im schlimmsten Fall jede beteiligte Gemeinde zur Kasse gebeten werden.
Dieser Umstand ist nicht nur ein juristisches Detail, sondern ein echtes Risiko – insbesondere für kleinere Gemeinden mit ohnehin knappen Kassen. Zwar weist die Satzung des Regionalwerks Haßberge darauf hin, dass auf dem individuellen Verlustvortragskonto Verluste nur verbucht, aber nicht verpflichtend ausgeglichen werden müssen. Doch das schützt wohl nicht vor der grundsätzlichen Gewährträgerhaftung nach Landesrecht.
Die Formulierung des § 2 Absatz 4 der Satzung klingt zunächst beruhigend: „Die Träger sind nicht verpflichtet, zum Ausgleich dieses Kontos Einzahlungen zu leisten.“ Doch die Gemeindeordnung des Freistaats Bayern steht dem entgegen.
Es scheint hier eine Grauzone zwischen juristischer Konstruktion und politischer Kommunikation zu geben. In der öffentlichen Darstellung, beispielsweise im Artikel der Main-Post vom 23.8.24, heißt es: „Mit ihrem Beitritt haben die Gemeinden sich also nicht verpflichtet, die Einrichtung notfalls mit immer neuen Finanzspritzen am Leben zu halten.“ Bei den Leserinnen und Lesern könnte dieser Satz schnell den Eindruck erwecken, die Haftung der Kommunen sei auf ihre jeweilige Einlage beschränkt – wie bei einer GmbH.
Tatsächlich aber bleibt die kommunalrechtliche Gewährträgerschaft bestehen. Nur wenn das Regionalwerk vollständig aus eigener wirtschaftlicher Kraft besteht, bleiben die Kommunen verschont. Gerät es jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, könnten Gläubiger auf die Kommunen zurückgreifen – unabhängig davon, wie hoch ihre Einlage ursprünglich war.
Denn bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts haftet am Ende die öffentliche Hand: „Nach Art. 50 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 KommZG i. V. m. Art. 89 Abs. 4 GO sind die beteiligten Gemeinden Gewährträger des gKU, das heißt sie haften unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des gKU gegenüber Dritten, soweit deren Forderungen nicht aus dem Vermögen des Unternehmens befriedigt werden können. Nachdem das gKU von mehreren Gemeinden getragen wird, bestimmt Art. 50 Abs. 5 Satz 1 KommZG ergänzend hierzu, dass die Anstaltsträger nach außen als Gesamtschuldner haften (vgl. § 421 BGB).“ (Bayerischer Gemeindetag, 02/2023, S. 48)
§ 3, Absatz 3 der Satzung des „Regionalwerks Haßberge“ besagt: „Im Falle der Gründung oder Beteiligung an anderen Gesellschaften ist sicherzustellen, dass die Haftung des gemeinsamen Kommunalunternehmens (gKU) auf seine Einlage begrenzt ist.“ In anderen Fällen aber ist eine solche Beschränkung jedoch nicht vorgesehen – oder auch rechtlich gar nicht möglich.
Der Weg zur eigenen regionalen Energieversorgung ist zweifellos ein mutiger Schritt. Gerade angesichts globaler Krisen, explodierender Energiepreise und klimapolitischer Ziele macht es gegebenenfalls Sinn, auf lokale Strukturen zu setzen. Doch dieser Idealismus darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kommunen damit auch eine neue Verantwortung übernehmen – und zwar nicht nur im Sinne von Planung und Organisation, sondern auch ganz konkret: finanziell.
Dass die ersten Jahre beim Regionalwerk Haßberge ohne Gewinnausschüttung verlaufen werden, hatte der Eberner Bürgermeister Hennemann bereits angekündigt. Auch die Höhe des künftigen Stromtarifs blieb offen. Die nächsten Monate müssen nun zeigen, ob das Regionalwerk Haßberge nicht nur als Vision, sondern auch als wirtschaftliches Modell funktioniert.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen