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Brunnen in Pettstadt
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Alte Brunnen sind stille Zeugen vergangener Zeiten. Manche plätschern noch leise in Dorfzentren vor sich hin, andere sind längst versiegt oder gar ganz verschwunden. Viele jedoch bergen Geschichten, Anekdoten und Erinnerungen aus einer Zeit, in der Wasserholen noch zum Alltag gehörte und der Dorfbrunnen nicht nur Quelle, sondern auch Treffpunkt war. Um diese historischen Zeugnisse zu bewahren, hat der Kreisarchivpfleger der Region Ebern Ende April 2025 ein ambitioniertes Projekt ins Leben gerufen: Die Erfassung aller noch vorhandenen Brunnen im Gebiet des ehemaligen Landkreises Ebern – heute als Altlandkreis bezeichnet.
Das Untersuchungsgebiet des Projekts ist klar umrissen: Der Altlandkreis Ebern, der von Maroldsweisach im Norden bis Baunach im Süden reichte, umfasst eine Vielzahl an Gemeinden und Ortsteilen. Auch Zaugendorf, Appendorf, Lauter, Mürsbach, Leuzendorf sowie viele weitere Dörfer gehörten zum einstigen Landkreis, der mit Ebern als Kreisstadt ein geografisches und kulturelles Zentrum hatte. Die Region erstreckte sich von Heilgersdorf im Nordosten bis nach Breitbrunn im Südwesten.
Der Hintergrund: Im Zuge der bayerischen Gebietsreform wurde der Landkreis Ebern im Jahr 1972 aufgelöst und seine Gebiete auf die Landkreise Coburg, Bamberg und Haßberge verteilt. Diese administrative Neugliederung stieß nicht überall auf Zustimmung – zu tief war die über Jahrzehnte gewachsene Identifikation der Bevölkerung mit dem Landkreis. Bis heute gilt das Auseinanderreißen des Gebiets als umstritten. Der Begriff „Altlandkreis“ Ebern ist geblieben und wird vielfach als kulturelle Klammer verstanden, die die Region zusammenhält.
Ziel des Projekts ist es, die noch vorhandenen Brunnen im öffentlichen Raum systematisch zu dokumentieren. Dabei ist die Beteiligung der Bevölkerung ausdrücklich erwünscht. Wer einen alten Brunnen kennt – sei es auf dem Dorfplatz, neben der Kirche oder am Rande eines Gehöfts – ist eingeladen, diesen mitzuteilen. Dabei genügen bereits gute Fotos und eine möglichst genaue Standortbeschreibung. Wer zudem noch Informationen zur Geschichte des Brunnens, zu früheren Sanierungen oder besonderen Begebenheiten beisteuern kann, hilft dem Archivprojekt in besonderem Maße weiter.
Auch alte Aufnahmen, auf denen Brunnen zu erkennen sind, sind willkommen – sie können Hinweise auf längst verschwundene Wasserstellen geben. Die gesammelten Daten und Bilder sollen später in einer Veröffentlichung zusammengetragen werden. Alle, die zum Gelingen beitragen, werden darin namentlich erwähnt. Für Rückfragen und zur Weitergabe von Informationen steht der Kreisarchivpfleger gerne zur Verfügung.
Vorkenntnisse sind für die Teilnahme nicht erforderlich. Wichtig ist vor allem die Aufmerksamkeit für die oft übersehenen Spuren im öffentlichen Raum – ein Brunnen, ein Becken, ein steinernes Relief oder gar nur eine Rohröffnung im Boden können wertvolle Hinweise sein.
Brunnen waren über Jahrhunderte hinweg zentrale Infrastrukturelemente – Lebensspender, Begegnungsort und oft auch Schmuckstück des Ortes. Heute allerdings fristen viele dieser Anlagen ein eher trauriges Dasein. Gerade in Städten wird ihre Bedeutung zunehmend unterschätzt. Der Unterhalt kostet Geld, Wartung und Pflege sind zeitaufwändig. Das führt dazu, dass manche Anlagen verfallen oder gänzlich außer Betrieb genommen wurden.
Auch in Ebern selbst zeigen sich solche Entwicklungen: So harrt etwa die Brunnenfigur der Pallas Athene seit Jahrzehnten im Rathaushof darauf, wieder als Mittelpunkt eines funktionierenden Brunnens zur Geltung zu kommen. Einst prägten zwei Brunnenanlagen die Walk-Strasser-Anlage – inzwischen ist einer davon abgebaut, ersetzt durch einen schlichten Trinkwasserspender, der kaum noch an die einstige Eleganz erinnert. Der verbliebene Brunnen an der Raiffeisenbank steht schon seit Jahren trocken.
Ein Blick über die Stadtgrenzen hinaus bestätigt diesen Trend. In Dresden etwa laufen in diesem Jahr laut einem Bericht von „Sachsen-Fernsehen“ nur noch acht von 99 öffentlichen Brunnen – eine drastische Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung. Auch Coburg plante im Jahr 2024, seine Springbrunnen aus Spargründen vorübergehend stillzulegen – eine Entscheidung, die auf breite Kritik stieß.
Dabei ist der Wert funktionierender Springbrunnen längst wissenschaftlich belegt: Das plätschernde Wasser wirkt beruhigend, kühlt im Sommer die Luft und schafft eine angenehme Atmosphäre. Nicht selten sind sie gestalterisches Herzstück öffentlicher Plätze. Gerade in Zeiten wachsender Städte und zunehmender Versiegelung von Flächen bieten Brunnen Momente der Erholung und ein kleines Stück Natur im urbanen Raum.
Die Faszination für Brunnen ist tief in der europäischen Kulturgeschichte verwurzelt. Schon in der Literatur nehmen sie einen festen Platz ein. So spielt eine bekannte Szene in Goethes „Faust“ an einem Brunnen – Symbol für Klatsch, Begegnung und Alltagswelt. Der Schweizer Dichter Conrad Ferdinand Meyer setzte dem Motiv mit seinem Gedicht „Der römische Brunnen“ im Jahr 1882 ein poetisches Denkmal. Der am 11.10.1825 in Zürich geborene Autor beschreibt darin in kunstvoller Sprache das kreisende Wasser, das sich aus einer Schale in die nächste ergießt – Sinnbild für Harmonie, Maß und Ordnung. Das Gedicht ist bis heute in Schulbüchern und Anthologien zu finden und steht für die kontemplative Wirkung, die Brunnen auf den Menschen ausüben können.
Das neue Projekt des Kreisarchivpflegers knüpft an genau diesen kulturellen und sozialen Wert an. Es will sichtbar machen, was vielerorts längst in Vergessenheit geraten ist. Der Altlandkreis Ebern birgt eine Vielzahl solcher historischer Kleinode – manche restauriert und gepflegt, andere verborgen hinter Hecken oder fast zugewachsen. Die systematische Erfassung soll dazu beitragen, dieses Erbe zu dokumentieren, bevor es endgültig verschwindet.
Für Ebern und die umliegenden Gemeinden ist die Aktion ein Aufruf zur Rückbesinnung auf lokale Identität, Geschichte und Gemeinschaftssinn. Wer sich auf die Suche nach den Brunnen der Vergangenheit begibt, entdeckt nicht nur steinerne Zeugnisse, sondern auch Geschichten, die das Leben in der Region über Jahrhunderte prägten.
Möchten Sie sich an dem Projekt beteiligen? Der Kreisarchivpfleger [➚] freut sich über jede Meldung – sei es zu einem existierenden Brunnen, einem verschwundenen, einer Anekdote oder einem alten Foto. Machen Sie mit!
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