
In Ebern, zwischen TV-Fußballplatz, Gymnasium und einem Gespenst namens „Städtebauförderung“, liegt ein Baugebiet, das noch nicht wirklich eines ist. Die Rede ist von der „Lützeleberner Straße“ – einem Streifen Land, der seit Jahren zum Hoffnungsträger für junge Familien in Ebern stilisiert wird. Geplant ist hier ein kleines Idyll aus 20 Einfamilienhäusern. Entstanden ist bislang: nichts.
Wer heute das Areal zwischen zwei Sportplätzen besucht, trifft auf grün überwucherte Brache, auf der sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen. Keine Straße, kein Spatenstich, keine Baumaschine. Und das, obwohl der Stadtrat schon einen Straßennamen vergeben hat – ein symbolträchtiger Akt ohne bauliche Folgen. In einer Stadt, die unter akutem Mangel an Bauplätzen leidet, wirkt diese Szene fast schon tragikomisch.
Ebern hat ein Problem. Es fehlt an Baugrund – vor allem für Einfamilienhäuser. Dabei stehen nicht weniger als drei Baugebiete seit Jahren in den Startlöchern. Neben der „Lützeleberner Straße“ zählen auch der „Mittelweg“ und das Quartier „Beethovenstraße-Südwest“ zu den Hoffnungsträgern. Doch auch sie existieren bisher nur als Einträge in Sitzungsprotokollen und auf Werbetafeln.
Letztere – beispielsweise am „Mittelweg“ – versprechen neue Mehrfamilienhäuser, moderne Wohnformen, urbanes Flair. Die Realität ist ernüchternd: Kein Aushub, kein Fundament. Und das, obwohl Stadtrat und Bürgermeister Jürgen Hennemann wiederholt beteuerten, dass alles auf dem Weg sei. Bereits im Januar 2022 erklärte Hennemann im Zusammenhang mit dem „Beethovenstraßen“-Projekt, dass der Immissionsschutz das Verfahren verzögere. Heute, mehr als drei Jahre später, steht auch hier: nichts.
Gerade bei der Beethovenstraße-Südwest schien die Sache greifbar. Die frühere Berufsschule wurde auf dem Gelände abgerissen, die Weichen gestellt. Gebaut wurde trotzdem nicht. Das Wort „Beschluss“ taucht in diesem Kontext beinahe inflationär auf. Die Realität hinkt den ambitionierten Planungen jedoch weit hinterher.
Der Grund für diesen kollektiven Stillstand ist politischer Natur – und heißt „Städtebauförderung“. Im April 2024 beschloss der Stadtrat erneut, was er bereits 2018 festgelegt hatte: Vorrang für die Innenentwicklung. Die Stadt Ebern verpflichtet sich, vorrangig Brachen, Leerstände und Konversionsflächen zu nutzen. Der Neubau auf der grünen Wiese wird dadurch zum bürokratischen Drahtseilakt.
Die Förderinitiative „Innen statt Außen“ verspricht attraktive Zuschüsse – aber nur, wenn die Kommune strikte Vorgaben einhält. Für jedes geplante Neubaugebiet muss ein detaillierter Nachweis erbracht werden, dass die Maßnahme mit den Prinzipien des Flächensparens vereinbar ist. In der Praxis bedeutet das: weniger neue Baugebiete, mehr Verwaltungsaufwand, langsamere Prozesse.
Der Beschluss aus dem April 2024 geht noch weiter: Für jede Ausweisung neuen Baulandes wird ein ausführlicher Bericht verlangt. Er muss öffentlich, transparent und rechtssicher erfolgen. Fehler in der Bauplatzvergabe – etwa bei nichtöffentlichen Stadtratsentscheidungen – können zu Klagen und langwierigen Verfahren führen. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen von 2020 zeigt, wie schnell das schiefgehen kann.
Doch in Ebern sind es nicht nur die Paragraphen, die drücken. Es ist auch die Nachfrage. Junge Familien, Rückkehrer und Bauwillige stehen Schlange – für Plätze, die es nicht gibt. Schon das kleine Areal an der „Lützeleberner Straße“ mit seinen etwa 20 geplanten Einfamilienhaus-Parzellen wird dem Bedarf kaum gerecht werden. Zumal selbst hier der erste Spatenstich noch immer aussteht – trotz der Ankündigung im März 2021, dass „frühestens im Herbst 2023“ gebaut werden könne. Der „Startschuss“ sei gefallen, hieß es damals. Offenbar hat ihn niemand gehört.
Gleichzeitig entwickelt sich das knappe Bauland zunehmend zum Spielball wirtschaftlicher Interessen. Während klassische Einfamilienhäuser kaum noch gebaut werden (können), erleben Wohnungsbauunternehmen ein Boomgeschäft. Eigentumswohnungen in kompakten Wohnblocks erzielen Höchstpreise – mitunter höher als frei stehende Häuser.
Die Stadt steht damit vor einem Dilemma: Sie möchte fördern, sparen, nachhaltig sein – und muss gleichzeitig ihre Bevölkerung mit Wohnraum versorgen. Eine Quadratur des Kreises, die sich bislang vor allem durch Verzögerungen und leere Flächen bemerkbar macht.
Inmitten dieser Gemengelage entsteht ein paradoxes Bild: Auf der einen Seite verpflichtet sich die Stadt zur Transparenz und nachhaltigen Stadtentwicklung. Auf der anderen Seite lassen Werbetafeln und Brachflächen erahnen, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderliegen. Selbst Projekte, die politisch längst beschlossen sind, dümpeln im Schatten ihrer eigenen Vorgeschichte dahin.
Besonders pikant wirkt dabei die aktuelle Entwicklung rund um die neue Postagentur – sie eröffnet im Gewerbegebiet Sandhof, also genau dort, wo nach Förderrichtlinien eigentlich kein zusätzlicher Einzelhandel mehr entstehen sollte. Immerhin verlangt der Stadtratsbeschluss „ausführliche Begründung“ für jedes neue Projekt am Ortsrand.
Was bleibt, ist ein Gefühl der Stagnation. Ebern hat den Mangel erkannt – doch der Weg zu seiner Behebung ist von Förderlogiken, bürokratischen Hürden und politischer Vorsicht gesäumt. Bauwillige bleiben derweil außen vor – und müssen weiter hoffen, dass auf den Wiesen zwischen Sportplatz und Angerbach irgendwann doch noch mehr als Gras wächst.
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