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Während die Welt auf den neuen Papst blickt, erlebt ein ungewöhnlicher Film über die Zerbrechlichkeit geistlicher Macht eine kleine Renaissance: „Habemus Papam – Ein Papst büxt aus“ ist derzeit in der arte-Mediathek [➚] verfügbar – noch bis zum 8.6.25. In der aktuellen Phase kirchlicher Umbrüche wirkt der satirisch-nachdenkliche Film von Nanni Moretti aktueller denn je.
Seit dem 21.4.25 steht die katholische Kirche erneut im Licht der Weltöffentlichkeit. Der Tod von Papst Franziskus hat ein Konklave ausgelöst, das am 8.5.25 mit der Wahl von Kardinal Robert Francis Prevost OSA zum neuen Papst Leo XIV. endete. Die Zeremonien folgten alten Mustern, doch wie gewohnt war es auch ein Moment globaler Inszenierung – ein Spektakel zwischen mystischer Ergriffenheit und minutiösem Medienprotokoll.
Am 18.5.25 schließlich trat Papst Leo XIV. feierlich sein Amt an. In seiner ersten Ansprache zeigte sich der neue Pontifex bescheiden: „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu Euch als ein Bruder, der sich zum Diener Eures Glaubens und Eurer Freude machen möchte!“ Die Inszenierung rührte viele – und doch war sie auch ein Spiegelbild des jahrhundertealten Rituals, das von äußeren Zeichen der Demut lebt, während es eine der mächtigsten religiösen Institutionen der Welt zementiert.
Genau an diesem Punkt setzt der Film „Habemus Papam – Ein Papst büxt aus“ an. Er spielt mit der Vorstellung, was geschieht, wenn ein neugewählter Papst nicht mit frommem Eifer, sondern mit existenzieller Panik auf seine neue Rolle reagiert. Der Film stammt aus dem Jahr 2011. Regie führte der italienische Filmemacher Nanni Moretti, der auch selbst als Schauspieler im Film mitwirkt – in der Rolle des Psychologen, der dem neuen Papst beistehen soll. Die Hauptrolle des zögernden Kirchenoberhaupts übernahm der französische Schauspieler Michel Piccoli, der bei den Dreharbeiten bereits 86 Jahre alt war. Piccoli, der 2020 verstarb, hinterließ mit seiner Darstellung eine stille, eindrucksvolle Figur, die lange im Gedächtnis bleibt.
Die Handlung kreist um Kardinal Melville, einen eher zurückhaltenden, in sich gekehrten Kirchenmann, der überraschend zum neuen Papst gewählt wird. Als nach außen hin der traditionelle Ausruf „Habemus Papam!“ verkündet wird, bricht Melville in sich zusammen. Panik überkommt ihn – und statt sich auf dem berühmten Balkon des Petersdoms zu zeigen, flüchtet er aus dem Vatikan. Von da an beginnt ein intensiver innerer und äußerer Prozess: Während der Vatikan fieberhaft versucht, die Lage zu kontrollieren und den abtrünnigen Papst zurückzuholen, streift Melville durch Rom – auf der Suche nach sich selbst.
arte zeigt diesen Film als Teil seines digitalen Angebots – ein Glücksfall. Die Tatsache, dass gerade jetzt dieser Film erneut angeboten wird, hat eine gewisse Ironie, denn er fällt zusammen mit einem realen Papstwechsel. Und anders als bei Melville scheint sich Papst Leo XIV. bisher nicht von Zweifeln lähmen zu lassen.
Der Film ist weit mehr als eine Satire auf das Papsttum. Nanni Moretti, bekannt für sein feines Gespür für politische und gesellschaftliche Stimmungen, entwirft mit „Habemus Papam“ ein tiefgründiges Drama über Selbstzweifel, institutionellen Druck und die Frage, ob man eine Rolle spielen kann, die einem innerlich widerstrebt.
Die Kardinäle im Film verhalten sich wie Politiker in einer ungewissen Krise: Nach außen hin geben sie sich gefasst, doch innerlich breitet sich Nervosität aus. Dass Melville die ihm zugedachte Rolle ablehnt, ist ein Affront gegen das System. Schnell wird ein renommierter Psychologe hinzugezogen – gespielt von Moretti selbst –, der jedoch bald erkennen muss, dass die Seele des Papstes sich nicht mit rationalen Mitteln beruhigen lässt. Seine Therapieansätze scheitern an den starren Strukturen des Vatikans – und am inneren Widerstand Melvilles.
Schließlich greift man zu ungewöhnlicheren Mitteln: Eine Psychoanalytikerin mit freudianischer Prägung – und Ex-Frau des Psychologen – soll Melville helfen, Zugang zu sich selbst zu finden. Doch der Papst entzieht sich auch dieser Maßnahme. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion entkommt er seiner Leibwache und beginnt eine ziellose Reise durch Rom. Dabei begegnet er einfachen Menschen, beobachtet das Leben auf den Straßen und landet schließlich bei einer Theatergruppe. In den Proben erkennt er, dass jede Rolle – auch die des Papstes – eine Aufgabe ist, die Selbstaufgabe verlangen kann.
Die Stärke des Films liegt in seinem sanften Ton und in der stillen Verzweiflung, die Michel Piccoli mit bewundernswerter Zurückhaltung ausdrückt. Sein Papst ist ein alter Mann, der plötzlich erkennen muss, dass das höchste geistliche Amt ihn nicht erfüllt, sondern überfordert. Dass er sich am Ende dennoch der Öffentlichkeit stellt, ist keine triumphale Geste, sondern eine mutige Kapitulation. In seiner abschließenden Rede macht er deutlich, dass er die Rolle des Papstes nicht ausfüllen kann, ohne sich selbst zu verlieren.
Damit stellt der Film eine tiefgreifende Frage: Was, wenn Berufung nicht mit innerer Überzeugung einhergeht? Was, wenn eine Institution jemanden zwingt, zu sein, was er nicht sein kann?
Moretti nimmt in seinem Werk die Mechanismen des Vatikans auseinander – nicht durch polemische Kritik, sondern durch leise Ironie. Die Männer in roten Gewändern wirken hilflos, die Apparate des Kirchenstaates zeigen sich als ein Netz aus starren Erwartungen und rituellem Pflichtgefühl. Die Flucht des Papstes wird nicht als Verrat dargestellt, sondern als ein menschlicher Versuch, zu verstehen, wer man ist – jenseits aller Titel und Gewänder.
Gerade jetzt, in einer Zeit, in der der neue Papst Leo XIV. ins Rampenlicht tritt, lädt der Film zu einem ungewöhnlichen Perspektivwechsel ein. Er macht sichtbar, was hinter der Robe liegen könnte: ein Mensch, der zweifelt, hadert, vielleicht sogar verzweifelt. Und das ist – gerade für ein geistliches Oberhaupt – vielleicht die menschlichste und zugleich heiligste Erkenntnis überhaupt.
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