30 Minuten zu spät – wie die Politik das Krankenhaus Ebern fallen ließ

Wer früher in Ebern eine Blinddarmentzündung hatte oder einen Oberschenkelbruch, der wusste: Hilfe ist nur wenige Minuten entfernt. Das Krankenhaus Ebern war jahrzehntelang eine tragende Säule der Gesundheitsversorgung für die Stadt und ihr Umland. Die Menschen vertrauten auf schnelle, verlässliche Versorgung – sei es bei Geburten, Unfällen oder akuten medizinischen Notfällen. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Was einst ein vollwertiges Krankenhaus war, wirkt zunehmend wie eine Hülle seiner selbst – schleichend, aber konsequent zurückgebaut. Der drohende Verlust eines ganzen Standorts geht dabei leise vor sich. Doch die Auswirkungen sind gravierend. Wer heute in Ebern operiert werden muss, muss hoffen, dass es sich um einen kleinen, ambulanten Eingriff handelt – alles andere ist Vergangenheit. Die Chirurgische Station des Krankenhauses Ebern wurde bereits im Jahr 2021 geschlossen. Vorausgegangen war kein Beschluss aus Berlin, sondern eine Entscheidung des Landkreises Haßberge, der...

Post mit Lücke – droht Mittelzentrum Ebern das Abseits, wenn das Rathaus nicht handelt?


In letzter Zeit wird Unmut vernehmlicher, seitdem die Öffnungszeiten der sogenannten „Postagentur“ drastisch reduziert wurden. Der Frust entlädt sich vorwiegend in sozialen Netzwerken, Bürgerversammlungen gibt es ja praktisch keine mehr – und doch scheint sich wenig zu bewegen. Die kommunale Infrastruktur bröckelt eklatant, während sich die übergeordneten politischen Ebenen – Bund, Land, Kommune – weitgehend passiv verhalten. Für die Bürgerinnen und Bürger im Eberner Land ist das eine bittere Erfahrung: Die Daseinsvorsorge – ein Versprechen des Staates – scheint auch in diesem Bereich leerzulaufen.

Die Entwicklung dessen, was dem Namen nach mit „Post“ zu tun hat, gleicht einem Trauerspiel in mehreren Akten. Erst musste 2020 der traditionsreiche Gasthof „Post“ – seit Generationen ein fester Bestandteil der Eberner Innenstadt – wegen Altersgründen schließen. Später wurde das Gebäude verkauft und 2023 schließlich abgerissen. Im Jahr 2021 zog sich dann die Postbank überraschend aus Ebern zurück, und nur ein Jahr später, 2022, wurden die Öffnungszeiten der verbliebenen Postagentur drastisch gekürzt. Heute ist diese Agentur in einem Elektro-Kaufhaus am Strasser Kreisel untergebracht – zu Zeiten, die vielen Berufstätigen und älteren Menschen schlicht nicht entgegenkommen. Eine Ausweichmöglichkeit gibt es theoretisch: In Reckendorf, zehn Kilometer entfernt, betreibt eine Postagentur im EDEKA-Markt weiterhin großzügige Öffnungszeiten. Doch nicht jeder kann oder will für einen einfachen Postgang diese Strecke auf sich nehmen.

Ein Blick auf das, was einmal war, zeigt die Dramatik. In Ebern gab es ein großes Postamt mit zwei bedienten Schaltern. Nach der sogenannten „Postreform“ wurde dieses geschlossen und durch eine Postagentur ersetzt – zunächst im tegut-Markt, später im Elektro-Kaufhaus. Auch die Zahl der Briefkästen schrumpfte. Noch vor wenigen Jahren war beispielsweise am Realschulparkplatz (Nähe Krankenhaus) ein Briefkasten vorhanden – heute ist dort keiner mehr zu finden. Ein weiterer Verlust an wohnortnaher Grundversorgung.

Die Reduzierung der Öffnungszeiten in Ebern lässt sich wohl weniger durch einen Rückgang der Nachfrage erklären. Vielmehr scheint die Wirtschaftlichkeit für den betreibenden Einzelhändler der Postagentur im Vordergrund zu stehen. Laut Branchenberichten [➚] erhalten Agenturinhaber zum Beispiel monatlich etwa 260 Euro Grundvergütung und rund 1.500 Euro Provision – eine Summe, mit der sich kaum die laufenden Personalkosten decken lassen. Kommen mehr Kunden, wird mehr Personal nötig – doch das bedeutet nicht zwangsläufig auch mehr Verdienst. Für viele Einzelhändler ist der Betrieb einer Postagentur deshalb ein Zuschussgeschäft. Die Post installiert zwar Technik und Infrastruktur, stellt aber keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, um den Service im Einklang mit den Öffnungszeiten des Einzelhandels aufrechtzuerhalten.

Was in Ebern geschieht, ist kein Einzelfall, sondern Symptom eines tieferliegenden Problems. Das Postwesen gehört zwar mittelbar zum verfassungsmäßig garantierten Bereich der Daseinsvorsorge (Sozialstaatsprinzip, Art. 20 GG). Doch genau das scheint nicht mehr zu gelten – jedenfalls nicht überall. Der wissenschaftliche Dienst [➚] des Deutschen Bundestags stellte 2024 in einem Gutachten fest: Die flächendeckende Versorgung im Bereich Post und Telekommunikation ist Aufgabe des Bundes. Doch nach der deutschen Wiedervereinigung wurde mit der sogenannten Postreform die Deutsche Bundespost in private Unternehmen aufgespaltet. An die Stelle der staatlich betriebenen Postämter traten privat geführte Postfilialen in größeren Städten und Postagenturen in kleineren Orten – meist in Läden, Lottogeschäften oder Supermärkten untergebracht. Der wirtschaftliche Erfolg dieser Agenturen ist allerdings von der Eigeninitiative und dem Umsatz der Ladeninhaber abhängig – und damit ein ständiges Risiko für die Grundversorgung.

Diese Entwicklung erinnert an die aktuelle Krankenhausreform, bei der ebenfalls die Effizienz im Vordergrund steht – zu Lasten der flächendeckenden Versorgung. Auch hier werden Kliniken geschlossen, Einrichtungen privatisiert, und immer häufiger stellt sich heraus, dass die versprochenen Effizienzgewinne nur Aktionären zugutekommen – nicht aber der Bevölkerung.

In Ebern fragen sich viele: Muss das so sein? Könnte die Stadt nicht selbst aktiv werden? Tatsächlich existieren in Deutschland Beispiele, die zeigen, dass kommunales Engagement im Bereich Postversorgung funktioniert. In Fellbach-Oeffingen [➚], einem Stadtteil von Fellbach im Rems-Murr-Kreis, wurde die im Januar 2023 geschlossene Postfiliale kurzerhand als städtischer Betrieb weitergeführt. Auch in der Gemeinde Merzenich [➚] in Nordrhein-Westfalen betreibt die Kommune ihre eigene Postagentur – über eine eigens gegründete GmbH. Im fränkischen Wolframs-Eschenbach [➚] hat die Stadt sogar eine eigene Bäckerei eröffnet und dort die Postagentur direkt im Rathaus untergebracht – zusammen mit einem Bürgerladen.

Diese Beispiele zeigen: Eine Kommune kann mehr tun, wenn sie will. Es braucht Mut, Willen und Menschen, die sich kümmern. Dass es bislang in Ebern keine solche Initiative gegeben hat, ist für viele Bürgerinnen und Bürger enttäuschend. Dabei ließe sich eine solche städtische Postagentur durchaus als Teil des kommunalen Service begreifen – vergleichbar mit Bürgerbüros oder Stadtwerken. Die rechtlichen Hürden sind überwindbar, wenn der politische Wille da ist.

Es liegt nahe, dass nun vor allem die Kommunalpolitik in die Verantwortung genommen werden muss. Die Stadt Ebern könnte sich aktiv um den Erhalt und die Verbesserung der Postversorgung bemühen. Doch bislang blieb es auffallend still im Rathaus. Ein städtischer Betrieb, der die Postagentur übernimmt? Eine Kooperation mit regionalen Unternehmen? Die Einrichtung eines Bürgerladens mit Postdienstleistungen im Zentrum? All das wären denkbare Optionen.

Stattdessen verweist man derzeit auf private Alternativen – etwa auf die Postagentur in Reckendorf. Doch zehn Kilometer für einen Brief oder ein Paket – das ist nicht nur unpraktisch, sondern für viele ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen schlicht nicht machbar. Zudem ist die Empfehlung, auf andere Orte auszuweichen, ein Eingeständnis, dass die Daseinsvorsorge in Ebern nicht mehr richtig sichergestellt ist.

In einer Zeit, in der vielerorts das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Politik und Verwaltung sinkt, wäre ein deutliches Signal aus dem Rathaus dringend notwendig. Ebern braucht Lösungen – und zwar solche, die nicht auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger gehen. Die Infrastruktur darf nicht weiter zerfallen, und die Menschen dürfen nicht weiter hingehalten und alleinegelassen werden.

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