
Der Blick auf die aktuellen Verkaufszahlen regionaler Tageszeitungen im 1. Quartal 2025 lässt wenig Raum für Optimismus. In der Region, darunter Städte wie Ebern, Bamberg, Coburg und Lichtenfels, zeigt sich ein drastischer Rückgang der verkauften Auflage [➚] – ein Trend, der sich seit Jahren fortsetzt, nun aber wieder neue Tiefststände erreicht hat. Die Leser/innen laufen den Zeitungen buchstäblich davon. Der kontinuierliche Rückgang scheint inzwischen ein strukturelles Problem zu sein, das die gesamte Medienlandschaft erschüttert. Und während der Druck auf die Verleger steigt, bleibt eine wirkungsvolle Antwort auf diese Entwicklung bislang aus.
Die jüngsten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Vergleich zum Vorjahr (1. Quartal 2024) hat nahezu jede der betrachteten Tageszeitungen erneut signifikant an Auflage verloren. Besonders stark betroffen ist die Neue Presse (Vergleich ohne Kronach), die mit einem Rückgang von 9,83 Prozent im Vergleich zu 2024 den größten Einbruch verzeichnet. Auch andere Titel wie die FT-Ausgabe für den Landkreis Lichtenfels (minus 9,38 Prozent) und der Fränkische Tag (FT) Bamberg, Ausgabe A, mit einem Minus von 7,73 Prozent mussten deutliche Verluste hinnehmen. Selbst das Obermain Tagblatt, das sich in den vergangenen Jahren etwas stabiler zeigte, verlor 4,11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Am Beispiel des Fränkischen Tags (FT), Ausgabe Ebern-Hofheim-Haßfurt, wird die Schwere der Situation besonders deutlich. Im 1. Quartal 2020 lag die verkaufte Auflage dieser Regionalausgabe noch bei 4.617 Exemplaren. Fünf Jahre später, im 1. Quartal 2025, sind davon nur noch 3.266 übrig – ein Rückgang um mehr als ein Viertel. Allein im Vergleich zu 2024 verlor die Ausgabe weitere 4,98 Prozent. Der Abwärtstrend scheint sich Jahr für Jahr zu verstärken. Und auch die Main-Post Haßberge steht nicht besser da: Mit 4.956 verkauften Exemplaren lag sie Anfang 2025 ganze 6,46 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Dramatisch ist die Entwicklung auch im Bereich der Neuen Presse. Nachdem die eigenständige Eberner Ausgabe bereits im Jahr 2024 eingestellt wurde, wurde sie durch eine neue Kombiausgabe „Coburg/Haßberge“ ersetzt. Noch im 1. Quartal 2024 wurden im Eberner Land immerhin 1.235 Exemplare verkauft – eine Zahl, die nun gar nicht mehr separat ausgewiesen wird. Die Konsolidierung mag aus verlegerischer Sicht nachvollziehbar erscheinen, doch für viele Leser/innen bedeutet sie schlicht den Verlust eines vertrauten Informationsmediums mit lokalem Bezug.
Die Zahlen bedeuten mehr als nur Statistik – sie sind Symptome eines tiefgreifenden Strukturwandels. Die Gründe für die Auflagenverluste sind vielfältig, doch einige Entwicklungen stechen besonders hervor. So scheint es, als haben es die Zeitungsverleger in den vergangenen Jahren nicht geschafft, ein attraktives Produkt zu entwickeln, für das Leser/innen bereit sind, regelmäßig Geld auszugeben. Die durchschnittlichen Kosten für ein Zeitungsabonnement liegen inzwischen bei rund 50 Euro im Monat – eine Summe, für die viele Leser/innen eine journalistische Qualität erwarten, die mit der Realität inzwischen häufig nicht mehr übereinstimmt.
Insbesondere im Lokalen, einst das Herzstück jeder Regionalzeitung, zeigen sich deutliche Schwächen. Die Streichung von Redaktionsstellen vor Ort hat spürbare Lücken hinterlassen. Immer häufiger übernehmen zentrale Redaktionen die Berichterstattung, doch diese sind oftmals zu weit vom lokalen Geschehen entfernt, um treffsicher zu berichten. Falsch geschriebene Ortsnamen, verwechselte Orte, plumpe Anbiederung an Politiker/innen und eine mangelnde Nähe zur Lebensrealität der Leser/innen haben das Vertrauen in die Berichterstattung zum Teil erschüttert.
Inhaltlich orientieren sich viele Blätter inzwischen stark an niedrigschwelligen Formaten, um vermeintliche Reichweite zu generieren – Katzenbilder, unkritische Pressemitteilungen, Lifestyle-Themen mit fragwürdigem Nachrichtenwert. Doch dieser sogenannte „Katzencontent“ ist längst ein Feld, das das Fernsehen, soziale Medien und Influencer-Kanäle deutlich besser abdecken. Eine Tageszeitung, die sich in diesen Bereichen zu profilieren versucht, verliert letztlich ihren ursprünglichen Markenkern – den gut recherchierten, unabhängigen Journalismus mit lokalem Fokus.
Hinzu kommt die Digitalisierung: Während Nachrichten online in Echtzeit und oft kostenfrei zur Verfügung stehen, müssen Leser/innen bei Printausgaben nicht nur mit einem zeitlichen Verzug leben, sondern auch mit einem Preis, der vielen überhöht erscheint. Dass viele Verlage zusätzlich Bezahlschranken in ihren Online-Angeboten errichten, ohne dort gleichzeitig exklusiven oder besonders relevanten Content zu liefern, dürfte die Abwanderung weiter beschleunigt haben.
Die Statistik zeigt ein düsteres Bild – und es ist eines mit Ansage. Wer sich die Entwicklung über mehrere Jahre hinweg anschaut, erkennt ein nahezu durchgängiges Minus von Jahr zu Jahr. Allein von 2024 auf 2025 hat die FT-Ausgabe für den Landkreis Lichtenfels weitere 176 Exemplare an verkaufter Auflage verloren – ein Minus von fast neun Prozent. Die Neue Presse büßte sogar über 1.000 zahlende Leser/innen ein. Und das innerhalb von nur zwölf Monaten.
Dass Verlage angesichts dieser dramatischen Entwicklung keine erkennbaren Gegenmaßnahmen ergreifen – oder diese zumindest nicht wirksam kommunizieren – wirkt wie ein schweres Versäumnis. Die Kritik am Zustand des Lokaljournalismus kommt längst nicht nur von enttäuschten Leser/innen, sondern auch aus dem Inneren der Branche selbst. Journalisten/-innen beklagen den Mangel an Zeit und Ressourcen für gründliche Recherche. Viele Beiträge werden in immer kürzerer Zeit produziert, mit immer weniger Kontrolle – der Qualitätsverlust ist spürbar.
Zudem scheinen einige Verlage der irrigen Annahme zu unterliegen, dass man journalistische Inhalte heute noch nach dem gleichen Muster anbieten könne wie vor 30 Jahren. Doch der Medienkonsum hat sich radikal verändert. Die Konkurrenz kommt nicht mehr nur von anderen Zeitungen, sondern von sozialen Netzwerken, Podcasts, News-Apps und kostenlosen Nachrichtenportalen. Wer es in dieser Landschaft nicht schafft, sich durch Qualität und Relevanz abzuheben, wird übersehen – oder im schlimmsten Fall ignoriert.
Und so schreitet der Niedergang weiter voran. Der Verlust an verkaufter Auflage ist nicht nur ein betriebswirtschaftliches Problem für die Verlage, sondern auch eine Frage der demokratischen Kultur. Denn mit jeder verschwundenen Zeitung, mit jeder aufgegebenen Lokalredaktion schwindet ein Stück öffentlicher Diskurs, ein Stück unabhängiger Kontrolle, ein Stück gesellschaftlicher Zusammenhalt. Dass dies ausgerechnet in einer Zeit geschieht, in der fundierte Information und kritische Berichterstattung dringender denn je gebraucht werden, macht die Situation umso besorgniserregender.
Die Zahlen aus Ebern, Bamberg, Coburg und Lichtenfels sind kein regionales Randphänomen – sie stehen exemplarisch für eine Krise, die viele Regionen Deutschlands gleichermaßen betrifft. Doch anders als bei bundesweiten Medien, die durch überregionale Reichweite oder staatliche Unterstützung überleben können, hängt das Schicksal der Lokalzeitung am seidenen Faden – oder genauer gesagt: an den wenigen verbliebenen Leser/innen, die bereit sind, für unabhängigen Journalismus noch zu zahlen.
 |
Datenquelle: ivw
|
Kommentare
Kommentar veröffentlichen