Pfarrweisach. Der Gasthof „Zum Goldenen Adler“ war bis auf den letzten Platz gefüllt, als sich am Dienstagnachmittag, dem 14.10.25, zahlreiche Bürgerinnen und Bürger zum Seniorentreff versammelten. Eingeladen hatten der Seniorenkreis Pfarrweisach und der frühere Pfarrweisacher Gemeinderat, Klaus Dünisch. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand ein Thema, das in der gesamten Region derzeit für Unruhe sorgt: die angekündigte Schließung des Krankenhauses Ebern, das offiziell zur Trägerschaft des Kommunalunternehmens Haßberg-Kliniken gehört.
Als Referent war Klaus Emmerich, ehemaliger Klinikvorstand und Mitbegründer der „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ [➚], gekommen. In einem eindringlichen Vortrag machte er deutlich, warum der Standort Ebern nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern auch aus sozialer Verantwortung erhalten werden müsse.
Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen
Nach den derzeitigen Planungen soll das Krankenhaus Ebern zum 31.12.25 geschlossen werden. Der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken hatte diesen Beschluss Ende Juli 2025 gefasst – ohne dass der Kreistag Haßberge, obwohl im Grunde dafür zuständig, darüber abstimmte. Für viele Bürgerinnen und Bürger kam die Nachricht überraschend. Wie Emmerich in seinem Vortrag betonte, sei die Öffentlichkeit „lange im Dunkeln gelassen“ worden, denn die vorangegangene Schließung der stationären Chirurgie im Jahr 2021 wurde damals als „Zukunftskonzept“ für Ebern beworben. Erst als Ende Juli 2025 die Entscheidung zur Komplettschließung praktisch gefallen sei, habe man überhaupt erfahren, dass über das Aus der Klinik verhandelt wurde.
Die Haßberg-Kliniken sind ein Kommunalunternehmen des Landkreises, und so fragt sich nicht nur Klaus Emmerich, warum der Kreistag Haßberge nicht eingebunden war. „Der Verwaltungsrat hat Tatsachen geschaffen, ohne die gewählten Vertreter wirklich einzubeziehen“, wurde kritisiert. Auch eine vorsorgliche Ausnahmegenehmigung für die Abteilungen Innere Medizin, Chirurgie und Intensivbehandlung sei für Ebern nie beantragt worden – obwohl diese laut aktueller Krankenhausreform die Grundvoraussetzungen für eine Zulassung als Akutkrankenhaus bilden.
„Ein Krankenhaus ist wie eine Feuerwehr“
Emmerich zeichnete in Pfarrweisach ein Bild, das viele Anwesende zum Nachdenken brachte. Er verglich Krankenhäuser mit Feuerwehren: Beide retteten Leben. Niemand käme auf die Idee, die Freiwillige Feuerwehr Pfarrweisach wegen geringer Einsatzzahlen zu schließen, argumentierte er. „Doch bei lebensrettenden Krankenhäusern wird plötzlich nach Rentabilität gefragt.“ Das sei ein grundlegendes Missverständnis über die Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Die Freiwillige Feuerwehr Pfarrweisach, so Emmerich weiter, habe im Jahr durchschnittlich rund 15 Einsätze – und bekomme dennoch alle notwendigen Mittel, um ihre Arbeit zu tun, was absolut richtig ist. Krankenhäuser hingegen müssten wirtschaftlich funktionieren, obwohl sie ebenso lebenswichtige Aufgaben erfüllten. Das Beispiel Ebern zeige, wohin diese Logik führe: zu längeren Anfahrtswegen, einer gefährdeten Erstversorgung und einer wachsenden Unsicherheit in der Bevölkerung.
Die Bedeutung für die Region
Im Eberner Einzugsgebiet leben rund 25.000 Menschen, die künftig ohne wohnortnahe stationäre Versorgung auskommen müssten, sollte die Schließung tatsächlich vollzogen werden. Wie Emmerich betonte, wären damit 7.995 Einwohnerinnen und Einwohner von einer Klinikversorgung innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit ausgeschlossen. In Notfällen könne diese halbe Stunde über Leben und Tod entscheiden. „Ein Medizinisches Versorgungszentrum kann kein Krankenhaus ersetzen“, sagte er mit Blick auf das in Ebern bestehende MVZ. Dort fehlten sowohl die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit als auch ein Schockraum für Reanimationen, Fachpersonal für Intensivmedizin und chirurgische Akutversorgung.
Die Schließung des Standorts sei daher nicht nur eine organisatorische, sondern eine existenzielle Frage für die Region. Emmerich erinnerte daran, dass die stationäre Chirurgie in Ebern bereits 2021 eingestellt worden war – gegen alle Warnungen. Schon damals sei absehbar gewesen, dass künftig gesetzliche Mindestanforderungen gelten würden, zu denen sowohl Innere Medizin als auch Chirurgie und Basisnotfallversorgung gehören. Die aktuelle Krankenhausreform habe dies nun bestätigt.
Kritik an politischer Passivität
Die Kritik des ehemaligen Klinikvorstands richtete sich nicht nur an den Verwaltungsrat, sondern auch an den Kreistag Haßberge. Dort, so Emmerich, drehe sich „alles nur ums Geld, nicht um Menschen“. Die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht auf Transparenz, doch viele Kreisräte blieben auffällig ruhig.
Gemeinsam mit Klaus Dünisch erinnerte er an die Petition [➚], die die Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ auf den Weg gebracht hat. Diese richtet sich an den Aufsichtsrat der Haßberg-Kliniken, den Kreistag Haßberge und den Bayerischen Landtag. Ziel ist es, den Erhalt des Krankenhauses Ebern und die Wiedereröffnung der stationären Chirurgie zu erreichen.
Von insgesamt 48 angeschriebenen Kreisrätinnen und Kreisräten hätten lediglich fünf überhaupt geantwortet, berichtete Emmerich. Nur eine Person habe der Forderung zugestimmt, vier hätten ablehnend reagiert, während 43 gar nicht reagierten. Dünisch sprach in diesem Zusammenhang von einem „Maulkorb für den Kreistag“ und fragte provokant, ob die Mitglieder „ein Schweigegelübde abgelegt“ hätten.
Bürgerinitiative für medizinische Daseinsvorsorge
Während der Veranstaltung in Pfarrweisach gingen Unterschriftenlisten herum. Das Ziel: 3.000 Unterstützerinnen und Unterstützer für die Petition zu gewinnen. Bereits 2.289 Menschen haben sich eingetragen – ein deutliches Signal, dass das Thema die Bevölkerung bewegt.
Emmerich appellierte an die Anwesenden, im Bekanntenkreis auf die Aktion aufmerksam zu machen. Es gehe nicht nur um den Standort Ebern, sondern grundsätzlich um die medizinische Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Wenn kleine Krankenhäuser systematisch aufgegeben würden, verliere das Land seine wohnortnahe Versorgung – und mit ihr ein Stück Sicherheit.
Wirtschaftliche Hintergründe
Parallel zu den Diskussionen um die Zukunft der Klinik beschäftigt sich der Landkreis Haßberge mit seiner finanziellen Situation. In der jüngsten Sitzung des Kreisausschusses stellte Kreiskämmerer Tim Kestel steigende Risiken fest: eine wachsende Verschuldung der Haßberg-Kliniken, steigende Personalkosten, Inflation sowie erhöhte Ausgaben in Jugend- und Sozialbereich. Um das Betriebskostendefizit der Kliniken auszugleichen, beschloss der Ausschuss eine Zuweisung von 2,89 Millionen Euro aus Rückstellungen.
Diese Zahlen zeigen, wie angespannt die Lage ist. Doch für Emmerich sind sie kein Argument gegen den Erhalt kleiner Krankenhäuser, sondern ein Hinweis darauf, dass die Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen grundsätzlich überdacht werden müsse. Er betonte, dass Krankenhäuser keine Betriebe wie andere seien. „Gesundheit darf kein Kostenfaktor sein, sie ist Teil der öffentlichen Infrastruktur.“
Stimmen aus Politik und Bevölkerung – Erinnerung an frühere Schließungen
Kreisrat Thomas Dietzel (Linke – Bündnis Haßberge) erklärte sich solidarisch und verwies auf die unglückliche Schließung des Krankenhauses Hofheim i.Ufr. im Jahr 2017. Schon damals seien ähnliche Argumente vorgebracht worden – und auch dort habe man von einer „Stärkung der verbliebenen Standorte“ gesprochen. Heute, so hieß es, stehe auch das Krankenhaus in Haßfurt unter Druck. Der Fall Ebern könne somit als Warnsignal dienen, wohin der Weg führt, wenn man die Grundversorgung in ländlichen Regionen vernachlässigt.
Dr. Heinrich Goschenhofer (FDP), Kreisrat aus Hofheim, sprach sich in der Diskussion dafür aus, dass die Schließung von Ebern das (27 Kilometer entfernte) Krankenhaus in Haßfurt stärken könne – auch wenn selbst das Haßfurter Krankenhaus mittelfristig gefährdet sei. Sein Beitrag löste unter den Zuhörern/-innen mitunter Verwunderung aus.
Andere Stimmen kamen aus dem Publikum: Bürgerinnen und Bürger berichteten von persönlichen positiven Erfahrungen mit der Eberner Klinik, von Notfällen, in denen schnelle Hilfe entscheidend war, und von der Angst, künftig auf weite Wege angewiesen zu sein.
Emotionale Worte und sachliche Argumente
Im Verlauf des Nachmittags wurde deutlich, wie sehr das Thema die Menschen bewegt. Klaus Emmerich argumentierte mit Zahlen, verwies auf gesetzliche Vorgaben und lieferte zugleich eindrückliche Beispiele aus der Praxis. Dabei machte er klar, dass es ihm nicht um Nostalgie gehe, sondern um Sicherheit. „Jede Minute zählt, wenn jemand einen Herzinfarkt oder schweren Unfall erleidet“, betonte er. „Wenn der Rettungswagen erst nach Haßfurt fahren muss, kann das den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.“
Die Zuhörenden reagierten mit Zustimmung, manche auch mit Sorge. Viele erinnerten sich an Zeiten, in denen Ebern mit seiner Klinik ein wichtiger medizinischer Ankerpunkt war – nicht nur für die Stadt selbst, sondern für das gesamte Umland.
Engagement auf lokaler Ebene
Zum Abschluss der Veranstaltung dankten die Gastgeber Adam Ort, Ingeborg Seifert und Klaus Dünisch dem Referenten für seine klaren Worte. Klaus Dünisch hob hervor, dass es nun darauf ankomme, das Thema im Bewusstsein der Bevölkerung zu halten. Klaus Emmerich ergänzte, man dürfe sich nicht entmutigen lassen: Der Optimismus sei zwar gedämpft, der Wille zum Widerstand jedoch ungebrochen. Die Petition solle ein Signal senden – an den Landkreis, an die Politik in München und an alle, die über die Zukunft der medizinischen Versorgung entscheiden. Jedenfalls wurde in Pfarrweisach an diesem Nachmittag spürbar, dass es nicht nur um Strukturen und Zahlen geht, sondern um Menschen – um ältere Bürgerinnen und Bürger, Familien, Kinder und alle, die auf schnelle Hilfe angewiesen sind.
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