Als im Mitteilungsblatt Ebern am 14.11.25 die Stellungnahme [➚] von Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann abgedruckt wurde (Seite 12), dürften viele Leserinnen und Leser gestutzt haben. Nicht nur, weil der Text – mit dem Kürzel „jh“ versehen – augenscheinlich aus seiner eigenen Feder stammt. Auffällig war vor allem der Tenor: Der Bürgermeister habe, so klang es durch, die Schließung des Krankenhauses Ebern als bedauerliche, aber unausweichliche Entwicklung dargestellt, die durch äußere Sachzwänge bestimmt worden sei. Vieles deutet darauf hin, dass er sich bemühte, den Eindruck einer folgerichtigen Entscheidung zu erwecken, deren Rahmenbedingungen niemand vor Ort hätte ändern können.
Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Zwischen den Aussagen des Bürgermeisters, den Darstellungen des Landrats, den tatsächlichen Vorgängen der letzten Jahre und der Wahrnehmung der Bevölkerung klaffen massive Widersprüche. Und sie reichen tief zurück – mindestens bis in das Jahr 2020, als in politischen Runden bereits offen über die Zukunft des Standorts Ebern diskutiert wurde.
Der Kreistag tagt in Ebern – aber kaum jemand erfährt etwas Neues
Nach Angaben im Mitteilungsblatt habe der Kreistag Haßberge eigens seine Sitzung am 27.10.25 nach Ebern verlegt, um noch einmal die Gründe für die endgültige Schließung des Krankenhauses zu erläutern. Wenige Zuhörerinnen und Zuhörer waren erschienen. Wer an diesem Abend dabei war, erlebte allerdings keine neue Erkenntnis, sondern eher eine Bekräftigung dessen, was viele Menschen im Raum Ebern bereits befürchtet hatten: Die Würfel waren längst gefallen. Das Aufeinandertreffen mit der Öffentlichkeit wirkte eher wie der obligatorische Schlusspunkt eines Prozesses, der im Verborgenen bereits weit vorangeschritten war.
Landrat Wilhelm Schneider habe den Zuhörern erklärt, dass man sich im Landkreis schwergetan hätte mit der Entscheidung, die stationäre Versorgung in Ebern zu beenden. Gleichzeitig betonte er, dass die finanziellen Lasten – jährlich rund fünf Millionen Euro Defizit der Haßberg-Kliniken insgesamt, davon bis zu 1,5 Millionen Euro allein am Standort Ebern – nicht mehr tragbar wären. Die dargestellte Lage klang dramatisch, doch sie ließ wesentliche Aspekte außen vor: zum Beispiel, wie diese Defizite zustande kamen und welche politischen Entscheidungen in den vergangenen Jahren diese Entwicklung begünstigt hatten.
Schleichende Demontage des Krankenhauses Ebern
Wer die Entwicklung seit 2021 verfolgt hat, konnte beobachten, dass das Krankenhaus Ebern Stück für Stück zurückgebaut wurde. Die Schließung der chirurgischen Abteilung Mitte/Ende 2021 war ein markantes Signal – viele sahen sie als Beginn des schrittweisen Rückzugs. Als anschließend die Fallzahlen sanken, wurde dies wiederum als Argument genutzt, um die geringe Auslastung zu beklagen. Dabei war klar: Wenn die chirurgischen Fälle nicht mehr nach Ebern überwiesen werden, fällt ein bedeutender Teil der stationären Eingänge weg. Hinzu kamen jene Patienten, deren Beschwerden unklar waren und die aufgrund der fehlenden chirurgischen Expertise automatisch in andere Häuser geleitet wurden. Ein verengter Versorgungsauftrag produziert zwangsläufig sinkende Fallzahlen.
Erstaunlich ist, dass Bürgermeister Hennemann im Mitteilungsblatt dennoch betonte, die Rahmenbedingungen seien „nicht aufzuhalten“ gewesen. Dabei war seit Jahren bekannt, dass bestimmte Entwicklungen vermeidbar gewesen wären – wenn man die Weichen politisch anders gestellt hätte.
Nicht kommunizierte Stilllegung der IMC-Station
Ein besonders heikler Punkt, den das Mitteilungsblatt lediglich knapp erwähnte, betrifft die Intermediate-Care-Station (IMC) im Eberner Haus. Sie sei, so wurde geschrieben, bereits Mitte Juli 2025 „vom Netz genommen“ worden – wegen Kündigungen im Fachpersonal. Hier hätte man erwarten können, dass die Bevölkerung über diesen drastischen Schritt informiert wird. Doch die Öffentlichkeit erfuhr erst Monate später davon.
Zu diesem Zeitpunkt war der Beschluss zur endgültigen Schließung des Krankenhauses offiziell noch gar nicht gefallen. Der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken fasste diesen Beschluss erst Ende Juli 2025. Die IMC-Station war jedoch bereits vorher außer Betrieb. Dass eine so grundlegende Einschränkung der Versorgung nicht unmittelbar öffentlich gemacht wurde, verstärkte den Eindruck, der Rückzug aus Ebern sei schon länger geplant gewesen – während man die Bevölkerung im Unklaren ließ.
Verzögerte Gespräche zur Notarztversorgung
Besonders irritierend ist die Aussage im Mitteilungsblatt, man führe nun Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns über den Erhalt des Notarztstandorts. Wenn diese Gespräche tatsächlich erst jetzt stattfinden – zu einem Zeitpunkt also, an dem die Schließung zum 31.12.25 längst feststeht –, dann ist dies ein Vorgehen, das Beobachter vielleicht sogar als fahrlässig bezeichnen könnten. Der Notarztstandort ist zudem kein Ersatz für ein Krankenhaus. Dass entsprechende Gespräche so spät geführt werden zeigt wohl, wie unvorbereitet man in entscheidenden Fragen in die Endphase dieses Prozesses gegangen ist.
Projekt Kurzzeitpflege – seit Jahren ein Versprechen ohne Umsetzung
Spätestens seit Anfang 2022 wurde immer wieder betont, im Eberner Krankenhausgebäude entstünden 28 Kurzzeitpflegeplätze, gefördert mit knapp zwei Millionen Euro, bei Gesamtkosten – wie sich erst jetzt öffentlich herausstellte – von etwa vier Millionen Euro. Mehrfach wurde ein Baubeginn angekündigt. Doch es geschah nichts. Zu teuer für den Landkreis Haßberge. Stattdessen wurde nun, im Herbst 2025, plötzlich ein anderes Modell präsentiert: Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Haßberge solle den Betrieb übernehmen, und zwar mit nur noch 20 Plätzen. Die neuen Kosten wurden nicht genannt.
Doch auch diese Planung erscheint alles andere als gesichert. Ohne einen gültigen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen kann nicht ein einziger Platz besetzt, nicht eine Pflegekraft angestellt werden. Dass man im Mitteilungsblatt dennoch so tat, als stünde der Start nächstes Jahr bevor, wirkt wie der Versuch, Zuversicht zu erzeugen, obwohl viele entscheidende Fragen möglicherweise noch völlig offen sind, denn Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Zudem wird hinter vorgehaltener Hand gemutmaßt, dass sich das BRK im Falle wirtschaftlicher Unrentabilität schnell wieder zurückziehen könnte. Man erinnert sich an diverse Rot-Kreuz-Kliniken, die im Zuge der Krankenhausreform bereits geschlossen wurden.
Palliativstation und Hospiz – Hoffnung oder bloße Illusion?
Besonders emotional ist für viele Menschen der Verlust der Palliativstation. Sie galt als Segen für die Region und war über Jahre ein Ort, an dem schwerstkranke Menschen eine würdevolle Begleitung fanden. Dass ausgerechnet diese Abteilung schon zum 1.11.25 nach Haßfurt verlegt wurde, hat viele Angehörige tief getroffen.
Bürgermeister Hennemann äußerte im Mitteilungsblatt den Wunsch, am Eberner Gebäude künftig ein Hospiz anzusiedeln. Doch konkrete Schritte, Förderzusagen oder Trägerstrukturen existieren nicht. Viele Menschen in Ebern haben den Eindruck, dass man ihnen an dieser Stelle ein weiteres Hoffnungsprojekt präsentiert – ohne greifbare Grundlage.
Die Sicht der Bevölkerung: Verlust von Sicherheit, Nähe und Heimat
Die Proteste gegen die Schließung zeigen eine ganz andere Perspektive als die politische Darstellung. In über 1.000 Kommentaren der Online-Petition [➚] berichteten Menschen von hautnah erlebter Versorgung, von Angehörigen, die ihre letzten Tage in Ebern verbracht hatten, und von der Angst, künftig im Ernstfall zu lange unterwegs zu sein. Sätze wie „Bis wir in Coburg oder Bamberg sind, sind wir tot“ oder „Ich will nicht auf der Straße sterben“ spiegeln eine nüchterne, aber existenzielle Sorge wider. Viele Bürgerinnen und Bürger erleben die Entwicklung als Abwertung ihres Lebensraums und als gesundheitspolitischen Rückzug aus dem ländlichen Gebiet.
Das MVZ als Ersatz?
Im Mitteilungsblatt wurde betont, dass das Medizinische Versorgungszentrum in Ebern weiterbestehen und sogar ausgebaut werden solle. Offizielle Stellen sprachen von einem „modernen Facharztzentrum“. Doch nicht wenige Stimmen bezweifeln, dass ein MVZ ein Krankenhaus ersetzen kann. Die bayerische Landkreisordnung verpflichtet Landkreise ausdrücklich zum Betrieb von Krankenhäusern – von MVZ ist darin keine Rede.
Zudem verursachen MVZ in öffentlicher Trägerschaft regelmäßig erhebliche Defizite, die durch den Landkreis ausgeglichen werden müssen. Einige Beobachter vermuten, dass die Einsparungen durch die Schließung des stationären Betriebs notwendig waren, um das MVZ finanziell überhaupt erhalten zu können. Ironischerweise könnte also das Krankenhaus geopfert worden sein, um eine Einrichtung zu finanzieren, die eigentlich nur ergänzend gedacht war.
Chronische Versprechungen ohne Umsetzung
Wenn Bürgerinnen und Bürger heute skeptisch auf neue politische Ankündigungen blicken, hat das nachvollziehbare Gründe. Manche erinnern sich, dass bereits 2021 – nach der Schließung der Chirurgie – vom Aufbau neuer Versorgungsmodelle („Zentrum für Altersmedizin“) die Rede war. Realisiert wurde davon bis heute kaum etwas.
Auch das große Thema der Kurzzeitpflege ist ein Beispiel: Trotz Förderbescheid, Pressekonferenzen und öffentlichen Zusagen gibt es nach gut vier Jahren noch immer keinen einzigen nutzbaren Platz. Und selbst die geplante Verlagerung von Betten nach Haßfurt blieb unvollendet – einzig bis auf die Palliativstation.
Politische Verantwortung – Blick zurück ins Jahr 2020
Die chronologische Betrachtung zeigt: Bereits im Jahr 2020 wurde in Parteiversammlungen der SPD Ebern offen darüber gesprochen, dass die Haßberg-Kliniken große Defizite aufweisen und über die Zukunft der beiden Standorte – Haßfurt und Ebern – diskutiert werde. Damals [➚] wurde von Seiten der SPD sogar angeregt, das Krankenhaus Ebern stärker mit Pflegeleistungen zu verknüpfen. Bürgermeister Hennemann forderte damals, wie in der Zeitung berichtet wurde, ein Modellprojekt, das die Verzahnung von Pflege und Krankenhaus beinhalten sollte.
Rückblickend lässt sich nicht übersehen: Genau diese Argumentationslinie – stärkere Pflege, weniger stationäre Leistungen – bildete später einen Baustein des schleichenden Rückbaus. Wenn der Bürgermeister heute behauptet, die Rahmenbedingungen hätte niemand verändern können, übersieht er – er ist auch Kreisrat –, dass er selbst politische Impulse gesetzt hat, die in diese Richtung wiesen.
Die im Mitteilungsblatt geäußerte Darstellung der Schließung des Krankenhauses Ebern lässt zahlreiche Aspekte unberührt, die für die Menschen vor Ort entscheidend sind. Der Krankenhausverlust bedeutet nicht nur die Schließung eines Gebäudes, sondern auch den Wegfall einer jahrzehntelang gewachsenen Struktur, die den Menschen Sicherheit, Erreichbarkeit und Verlässlichkeit geboten hat – und das über mehr als 113 Jahre. Der Umgang mit Informationen, die verspätete Kommunikation, das Festhalten an unerfüllten Versprechungen und die Darstellung eines vermeintlich notwendigen und unausweichlichen Prozesses werfen Fragen auf, die viele Bürgerinnen und Bürger nicht bereit sind, einfach hinzunehmen.

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