
Am 9.6.24 ist es wieder soweit: Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind aufgerufen, ihre Stimme zur Wahl des Europäischen Parlaments abzugeben. Wie auch in den vergangenen Jahren, sind die Straßen und Plätze unserer Städte wieder mit Wahlplakaten geschmückt. Trotz des digitalen Zeitalters und der allgegenwärtigen Online-Werbung spielen diese traditionellen Werbemittel eine bemerkenswerte Rolle. Doch wie zeitgemäß sind Wahlplakate heute noch und welche Wirkung haben sie wirklich?
Während die Digitalisierung unaufhaltsam voranschreitet, begegnen uns Wahlplakate an vielen Stellen in der Stadt. Für manche wirken sie wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, doch ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Laut einer Studie von Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, werden Wahlplakate von gut zwei Dritteln der Wähler wahrgenommen. Im Vergleich dazu ziehen die Internetseiten der Parteien lediglich knapp 30 Prozent der Wähler an. Rafael Bauschke, Professor für Politische Kommunikation an der Ludwigsburger Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen, bestätigt diese Ergebnisse in seinen eigenen Untersuchungen.
Ein wesentlicher Vorteil von Wahlplakaten ist ihre Reichweite. Anders als bei den sozialen Medien, die oft nur bestimmte Altersgruppen ansprechen, können Wahlplakate potenziell alle Altersklassen erreichen. Sie sind für jeden sichtbar, unabhängig von deren Internetnutzung oder technischer Affinität. Das macht sie zu einem vielseitigen und zugänglichen Mittel der Wahlwerbung.
Trotz ihrer weiten Verbreitung und Sichtbarkeit ist die tatsächliche Wirkung von Wahlplakaten begrenzt. Forscher sind sich einig, dass Wahlplakate nur schwer Botschaften und Inhalte transportieren können. Ihr Einfluss auf die politische Meinung und das Wahlverhalten der Wähler bleibt somit gering. Hauptsächlich dienen sie dazu, die Wähler an die bevorstehende Wahl zu erinnern und sie zu mobilisieren. Zudem können sie die Aufmerksamkeit der Wähler auf bestimmte Themen lenken, die für eine Partei von besonderem Vorteil sind.
Es gibt verschiedene Arten von Wahlplakaten, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. „Kopfplakate“, auf denen ein Kandidat mit Parteilogo und einem Slogan abgebildet ist, sind weit verbreitet, werden aber oft als „nervig“ empfunden, wie Brettschneider herausfand. Themenplakate hingegen konzentrieren sich auf spezifische Themen und sollen die Aufmerksamkeit der Wähler auf diese lenken.
Die wirksamsten Wahlplakate bestehen aus einer Kombination von Foto und Slogan. Reine Textplakate bleiben selten im Gedächtnis haften, während Bilder eine stärkere visuelle Wirkung haben. Doch selbst die besten Plakate können nicht garantieren, dass sie von den Passanten tatsächlich wahrgenommen und deren Inhalte verinnerlicht werden. Mit Befragungen lassen sich zumindest Tendenzen erkennen, doch die genaue Wirkung bleibt schwer messbar.
Ob ein Wahlplakat anspricht oder nicht, entscheidet sich meist innerhalb weniger Sekunden. Viele Motive auf den Plakaten wirken wenig überzeugend, und dennoch investieren die Parteien weiterhin erhebliche Summen in die Wahlplakatierung. Warum? Weil trotz aller Kritik und der Konkurrenz durch digitale Medien, Wahlplakate nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Wahlkampfes sind.
Ein Phänomen, das im Zusammenhang mit Wahlplakaten immer wieder auftaucht, sind sogenannte „Verzierungen“ oder Beschädigungen. Dabei handelt es sich häufig um kreative oder weniger kreative Veränderungen der Plakate durch Unbekannte. Diese Aktionen, so unterhaltsam sie für einige Betrachter auch sein mögen, sind rechtlich gesehen Sachbeschädigung und somit strafbar. Trotzdem tragen sie manchmal unfreiwillig zum Unterhaltungswert bei und können zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Plakate lenken.
Es gibt Fälle, in denen veränderte Wahlplakate in sozialen Medien viral gehen und dadurch eine größere Reichweite erzielen als ursprünglich geplant. Dies kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Parteien und ihrer Kandidaten haben. Manche Betrachter finden solche Veränderungen humorvoll und kreativ, während andere sie als respektlos und störend empfinden. Trotz dieses Phänomens bleibt festzuhalten, dass die Parteien viel Geld und Mühe in die Gestaltung und Platzierung ihrer Plakate investieren, und ihre unbefugte Veränderung rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
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