Bild (Ausschnitt, verändert): „Deutscher.Bundesrat.Leipziger.Strasse“, Membeth, Lizenz: gemeinfrei, eingebettet via Wikimedia Commons
Am 22.11.24 könnte eine entscheidende Weichenstellung für die deutsche Krankenhauslandschaft anstehen: Der Bundesrat erwägt, den Vermittlungsausschuss zur Beratung über das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) anzurufen, um Nachbesserungen am Gesetz zu erreichen. Dieses Gesetz, das den Eckpfeiler der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach darstellt, steht im Zentrum intensiver Debatten – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngst gescheiterten Ampel-Koalition und der bevorstehenden Neuwahlen im Bund.
Die derzeitige politische Instabilität könnte eine Gelegenheit sein, doch noch Anpassungen an Lauterbachs Reform durchzusetzen, die in weiten Teilen des Landes kritisch gesehen wird. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) formulierte es am 11.11.24 so: Die Reform solle „nicht verhindert, sondern verbessert“ werden, insbesondere durch die Möglichkeit, Krankenhausleistungen in ländlichen Gebieten flexibel zu gestalten und Kooperationen zwischen Krankenhäusern unterschiedlicher Standorte zu ermöglichen. Die bayerische „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ unterstützt diese Forderungen. Sie befürchtet eine drastische Reduktion der Krankenhausversorgung durch das KHVVG und verweist auf die drohende Schließung von Krankenhäusern, die in kleinere sektorenübergreifende Versorgungszentren umgewandelt werden sollen.
Eine zentrale Rolle in dieser komplexen politischen Lage könnte der Vermittlungsausschuss spielen – ein Gremium, das laut Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zur Lösung von Konflikten zwischen Bundestag und Bundesrat eingesetzt wird. Sollten sich die Mitglieder des Bundesrats am 22.11.24 auf die Einberufung dieses Ausschusses einigen, wäre dies ein Signal für potenzielle Änderungen am Krankenhausreformgesetz. Ziel dieser Anrufung wäre es, das KHVVG anzupassen und möglicherweise Spielraum für eine differenziertere Krankenhausplanung zu schaffen, insbesondere für kleinere Standorte wie den Krankenhausstandort Ebern, der zu den Haßberg-Kliniken gehört.
Die Entscheidung, den Vermittlungsausschuss anzurufen, ist jedoch keineswegs sicher. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bereits im Vorfeld betont, dass er wesentliche Anliegen der Bundesländer – darunter die Möglichkeit, standortübergreifende Kooperationen flexibler zu gestalten – ablehnt. Für Lauterbach steht die Umwandlung von kleinen Krankenhäusern in sektorenübergreifende Versorgungszentren im Vordergrund. Seine strikten Strukturvorgaben für Leistungsgruppen wie Innere Medizin und Chirurgie können nämlich von kleinen Krankenhäusern, die über keine Basisnotfallversorgung verfügen, nicht erfüllt werden. Laut Kritikern, insbesondere der bayerischen Aktionsgruppe, könnte dies zur Schließung von bis zu 143 der 352 Krankenhäuser in Bayern führen.
Judith Gerlach und andere Kritiker fordern deshalb, das Gesetz im Sinne einer stärkeren Regionalisierung zu überarbeiten, so dass die Länder eigenständige Entscheidungen über die Nutzung und Kooperation von Krankenhausstandorten treffen können. Ein maßgeblicher Kritikpunkt besteht darin, dass die strikten Vorgaben des KHVVG für ländliche Regionen zu einer Unterversorgung führen könnten. In vielen Gebieten, darunter der Landkreis Haßberge, könnte die wohnortnahe Versorgung nicht mehr wie bisher gewährleistet sein, da der Weg zu einem Allgemeinkrankenhaus oft länger als 30 Minuten Fahrzeit betragen würde. Die Entfernungen würden viele Bürgerinnen und Bürger, insbesondere ältere Menschen, belasten, was die öffentliche Empörung über die Reformpläne weiter angeheizt hat.
Ein brisantes Detail offenbart sich im Fall des Haßberg-Klinik-Standortes Ebern. Die Diskussion um dessen Fortbestand wirft ein Schlaglicht auf die Spannungen innerhalb des Landkreises. Der Landrat des Landkreises Haßberge, Wilhelm Schneider (CSU), sieht in der Reform eine Möglichkeit, den sogenannten „Transformationsprozess“ zu unterstützen, der letztlich eine Umstrukturierung der Gesundheitsversorgung auf regionaler Ebene vorsieht. Schneider argumentiert zwischen den Zeilen, dass eine Umsetzung des KHVVG dabei helfen könnte, wirtschaftliche Herausforderungen für den Landkreis zu bewältigen. Dies lässt vermuten, dass er eine Schließung des Eberner Standorts als Möglichkeit sieht, um den finanziellen Druck zu mindern. Eine öffentliche Gegenwehr seitens der Eberner Kreisräte blieb bisher jedoch aus. Innerhalb der politischen Landschaft im Landkreis Haßberge scheint das Thema somit ein „heißes Eisen“ zu sein, bei dem eine klare Positionierung ausbleibt, vermutlich um einen möglichen „öffentlichen Druck“ zu vermeiden.
Eine Lösung ohne die Beteiligung des Vermittlungsausschusses würde höchstwahrscheinlich die Schließung mehrerer Standorte mit sich bringen, was der Bevölkerung zunehmend bewusst wird. Stimmen aus der Bevölkerung und politische Bewegungen wie die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ machen deutlich, dass ein Rückzug der Versorgungskapazitäten nicht ohne politischen Widerstand hingenommen wird.
Die Diskussion um die Zukunft der Haßberg-Kliniken, insbesondere des Standortes Ebern, macht deutlich, wie komplex die Situation ist. Es geht nicht nur um finanzielle Fragen oder eine Optimierung des Vergütungssystems aus Vorhaltevergütung und Fallpauschalen, sondern um das grundsätzliche Recht der ländlichen Bevölkerung auf eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung. Auch Landrat Schneider und andere lokale Akteure sehen sich hier einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber, die eine klare Positionierung und den Erhalt des Krankenhausstandorts fordert. Der mögliche Wegfall dieses Standorts könnte als Entzug eines wichtigen Grundpfeilers der öffentlichen Daseinsvorsorge interpretiert werden und die Bürger im Landkreis Haßberge nachhaltig beeinflussen.
Die kommende Abstimmung im Bundesrat wird mit Spannung erwartet. Sollte der Vermittlungsausschuss am 22.11.24 tatsächlich angerufen werden, könnte das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz eine veränderte Form erhalten. Eine solche Entwicklung würden wohl viele Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Regionen mit Erleichterung aufnehmen, da sie weiterhin auf eine regionale Krankenhausversorgung hoffen. Vor dem Hintergrund der politischen Unsicherheit in Berlin und der Neuwahlen bleibt abzuwarten, ob der Bundesrat letztlich eine Mehrheit für den Vermittlungsausschuss zustande bringt.
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