
Während andernorts bereits groß angelegte Ausstellungen und Gedenkveranstaltungen an den Bauernkrieg von 1525 erinnern, herrscht in Ebern bemerkenswerte Stille. Kein Banner, kein Vortrag, keine öffentliche Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in einem der prägendsten sozialen Aufstände der deutschen Geschichte. Und das, obwohl die kleine Stadt in Unterfranken damals auf der Seite der Aufständischen stand – ein historisches Detail, das Ebern einst teuer zu stehen kam.
Im Jahr 2025 wird deutschlandweit an den Bauernkrieg vor 500 Jahren erinnert. In Thüringen und Baden-Württemberg laufen bereits Landesausstellungen. In Würzburg [➚] widmet sich der Kulturspeicher vom 12.4. bis 3.8.25 in einer groß angelegten Schau dem Thema unter dem Titel: „Bauern! Protest, Aufruhr, Gerechtigkeit“. Auch die Stadt war 1525 ein Zentrum des Geschehens.
Und Ebern? Dort liegt zwar eine Gedenkplatte am Marktplatz nahe dem Neptunbrunnen, unscheinbar eingelassen ins Kopfsteinpflaster. Sie erinnert an die Hinrichtung von elf Eberner Bürgern im Juni 1525. Doch öffentlich wahrgenommen wird sie kaum. Kein aktuelles Gedenken, keine kommunale Auseinandersetzung mit dem Ereignis, das Ebern einst zum Schauplatz grausamer Repression machte.
Im Frühjahr 1525 wogte die Wut über die jahrzehntelang angestaute soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit über ganz Süddeutschland hinweg. Im Zentrum: die „Zwölf Artikel“ – ein Forderungskatalog, den die Bauern im März in Memmingen veröffentlichten. Diese Schrift, in einer für damalige Verhältnisse beispiellosen Auflage verbreitet, formulierte ein neues Verständnis von Freiheit und Gerechtigkeit. Sie gilt als erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa.
Auch Ebern war betroffen. Die Stadt, Teil des Hochstifts Würzburg, stellte sich auf die Seite der Aufständischen. Die wirtschaftliche Situation war verheerend: hohe Abgaben, Frondienste, eingeschränkte Rechte. Auch in kleinen Städten wie Ebern wurde der Unmut öffentlich. Der lokale Konflikt wurde zum Teil eines überregionalen Aufstands.
Die Reaktion der Obrigkeit ließ nicht lange auf sich warten. Bischof Konrad von Thüngen organisierte ab Juni 1525 eine beispiellose Strafexpedition. Mit 300 Reitern und 400 Fußknechten zog er durch sein Hochstift. In Ebern wurden elf Bürger hingerichtet, ein weiterer begnadigt. Auch in Haßfurt (sieben Enthauptungen) und auf dem Fischmarkt in Würzburg (13 Hinrichtungen) setzte der Fürstbischof ein blutiges Exempel.
Im Kontrast dazu blieb die Pflege Coburg weitgehend verschont. Mit einer Mischung aus militärischer Aufrüstung und sozialen Zugeständnissen verhinderte man dort ein Übergreifen des Aufstands. Coburg setzte auf eine Doppelstrategie – erfolgreich, wie sich zeigen sollte.
Die „Zwölf Artikel“, die im Zentrum der Forderungen standen, wirken aus heutiger Sicht fast versöhnlich. Sie waren keine Kampfansage, sondern eine demütige Bitte. So heißt es im ersten Artikel: „Es ist unsere demütige Bitt’ und unser Begehr’, auch unser aller Wille (...), dass wir fortan Gewalt und Macht haben wollen, damit eine ganze Gemeinde einen Pfarrer selbst aussuchen (...) kann.“
Weitere Forderungen betrafen das Recht auf Jagd, Fischfang, die Rückgabe gemeindeeigener Ländereien, eine Begrenzung der Frondienste, gerechte Pacht und die Einschränkung willkürlicher Bestrafung. Der letzte Artikel sah sogar ausdrücklich vor, von einer Forderung abzusehen, wenn sie „dem Worte Gottes nicht gemäß“ sei. Ein Konzept, das theologischen Anspruch mit sozialer Gerechtigkeit verband.
Dass diese Forderungen nie ernsthaft verhandelt wurden, lag nicht am mangelnden Dialogwillen der Bauern. Vielmehr war es die Obrigkeit, die auf Zeit spielte, Verhandlungen zur Täuschung nutzte und letztlich militärisch durchgriff. So auch in Ebern.
In der Umgebung der Stadt gingen die Aufständischen gegen mehrere Adelssitze vor, teilweise wurden diese verwüstet. Die Burg Raueneck bei Ebern hingegen blieb stehen – wohl auch, weil der dortige Amtmann, Lorenz von Bibra, sich durch eine List der Zerstörung entzog. Er täuschte vor, sich dem Aufstand anschließen zu wollen, woraufhin die Bauern von der Zerstörung absahen.
Andere Städte zeigen 2025, wie ein solches Gedenken aussehen kann. In Bad Frankenhausen in Thüringen etwa, dem Ort der letzten großen Schlacht des Bauernkriegs, zieht das monumentale Bauernkriegspanorama von Werner Tübke jährlich Tausende Besucher an. Das riesige Rundbild zeigt in dramatischen Szenen die Brutalität des Aufstands und die Vision seiner Akteure. Es ist ein Mahnmal – und ein Kunstwerk von europäischem Rang.
In Würzburg ist man sich der Geschichte bewusst: Mit einer Sonderausstellung im Museum im Kulturspeicher rückt die Stadt ihre eigene Rolle in den Fokus. Im April 1525, nur Wochen vor dem Blutbad in Ebern, hatten sich auch in Würzburg die Stadtviertel erhoben. Ihre Forderungen: Abschaffung der Zölle, freie Ratswahl, unabhängige Justiz, Annahme der „Zwölf Artikel“.
Auch wenn die Bewegung scheiterte – ihr Vermächtnis lebt weiter. Die Vision einer neuen, gerechteren Ordnung, einer Gesellschaft, in der Macht nicht allein durch Geburt, sondern durch Gerechtigkeit verteilt wird, bleibt bis heute aktuell.
Ebern war kein unbeteiligter Ort. Die Stadt war Teil der Geschichte. Die Hinrichtungen von 1525 sind historisches Faktum, dokumentiert nicht nur auf einer Gedenkplatte, sondern in den Chroniken der Region. Geschichte ist nicht nur das, woran in den großen Städten erinnert wird. Auch kleine Städte wie Ebern haben ihre Kapitel geschrieben. Dass im Erinnerungsjahr dieses Kapitels nicht gedacht wird, ist eine verpasste Chance.
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