30 Minuten zu spät – wie die Politik das Krankenhaus Ebern fallen ließ

Wer früher in Ebern eine Blinddarmentzündung hatte oder einen Oberschenkelbruch, der wusste: Hilfe ist nur wenige Minuten entfernt. Das Krankenhaus Ebern war jahrzehntelang eine tragende Säule der Gesundheitsversorgung für die Stadt und ihr Umland. Die Menschen vertrauten auf schnelle, verlässliche Versorgung – sei es bei Geburten, Unfällen oder akuten medizinischen Notfällen. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Was einst ein vollwertiges Krankenhaus war, wirkt zunehmend wie eine Hülle seiner selbst – schleichend, aber konsequent zurückgebaut. Der drohende Verlust eines ganzen Standorts geht dabei leise vor sich. Doch die Auswirkungen sind gravierend. Wer heute in Ebern operiert werden muss, muss hoffen, dass es sich um einen kleinen, ambulanten Eingriff handelt – alles andere ist Vergangenheit. Die Chirurgische Station des Krankenhauses Ebern wurde bereits im Jahr 2021 geschlossen. Vorausgegangen war kein Beschluss aus Berlin, sondern eine Entscheidung des Landkreises Haßberge, der...

Teilerfolg für Klinik-Aktionsgruppe: Lauterbachs „Grouper“ gestoppt – doch Sorgen bleiben

Abstimmungsunterlagen Mitgliedervotum der SPD zum Koalitionsvertrag 2018 (103)
Symbolbild (Ausschnitt, verändert): „Abstimmungsunterlagen Mitgliedervotum der SPD zum Koalitionsvertrag 2018 (103)“, Klaaschwotzer, Lizenz: CC0 1.0 Universell, eingebettet via Wikimedia Commons


Die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ erzielt einen wichtigen Zwischenerfolg: Der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach entwickelte, hochkomplexe Leistungsgruppen-Grouper werde nicht eingeführt. Doch trotz dieser positiven Nachricht bleiben viele zentrale Forderungen der Aktionsgruppe unerfüllt.

Am 14.4.25 verkündete die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ [➚] einen bemerkenswerten Zwischenerfolg. Ihre Online-Petition mit dem Titel „Leistungsgruppen-Grouper für Krankenhäuser stoppen – Krankenhäuser retten“ hat ein zentrales Ziel erreicht: Der im Rahmen der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entwickelte Leistungsgruppen-Grouper wird nicht eingeführt.

Diese Entwicklung ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, einer Koalition aus CDU/CSU und SPD. Demnach werden die geplanten 65 bundesweiten Leistungsgruppen, wie sie Lauterbach vorgesehen hatte, durch ein anderes Modell ersetzt – nämlich die bereits in Nordrhein-Westfalen erprobten NRW-Leistungsgruppen. Damit ist das als extrem komplex geltende System des Leistungsgruppen-Grouper – inklusive seines 12.000 Seiten umfassenden Handbuchs – vom Tisch.

Die Aktionsgruppe zeigt sich in ihrer Mitteilung erleichtert über den Rückzug dieses zentralen Elements aus Lauterbachs Reform. Eine Maschine, so die Kritik der Aktivisten, dürfe nicht über die Zukunft von Krankenhäusern entscheiden. Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Die zweite große Forderung, das sogenannte „Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetz“ vollständig zu stoppen, blieb unerfüllt. Die grundlegende Reform der Krankenhausstruktur wird also fortgeführt – wenn auch in veränderter Form.

Hinter dem Widerstand gegen die Reform steht eine wachsende Sorge um die medizinische Versorgung, vor allem in ländlichen Regionen. In Bayern könnten laut der Aktionsgruppe derzeit 143 von insgesamt 352 Krankenhäusern gefährdet sein – besonders solche ohne Basisnotfallversorgung – wie in Ebern. Hauptgrund dafür sind die neuen Strukturvorgaben, die unter anderem die Bereiche „Allgemeine Innere Medizin“ und „Chirurgie“ betreffen. Gerade kleine Allgemeinkrankenhäuser, ob auf dem Land oder in den Städten, drohen durch diese Restriktionen auf der Strecke zu bleiben.

Die Aktionsgruppe kritisiert, dass sich insbesondere CSU-Politiker wie Emmi Zeulner, Mitglied im Gesundheitsausschuss, und der ehemalige bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek nicht ausreichend gegen diese Maßnahmen eingesetzt hätten – trotz eindringlicher Warnungen.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft das Klinikpersonal. In Bayern könnten laut Berechnungen der Initiative durch den Verzicht auf die aufwendige Kodierung und Dokumentation für das DRG-Fallpauschalen-System etwa 27.400 zusätzliche klinische Mitarbeiter – beziehungsweise rund 20.400 Vollzeitkräfte – direkt am Patientenbett eingesetzt werden. Diese Chance, so die Aktionsgruppe, sei durch den Koalitionsvertrag ungenutzt geblieben. Stattdessen müsse sich das Klinikpersonal weiter mit der Beantragung von Leistungsgruppen, Ausnahmeregelungen und Strukturprüfungen beschäftigen.

Auch finanzielle Fragen bleiben offen: Die Beitragssätze in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung (GKV und PKV) gelten weiterhin als instabil. Die Aktionsgruppe fordert daher die Einführung einer einheitlichen Bürgerkrankenversicherung, die sowohl die Verwaltungskosten senken als auch zusätzliche Einnahmen generieren könnte. Durch die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze und eine gerechtere Beteiligung von Großverdienern könnten laut Schätzungen rund 33,5 Milliarden Euro zusätzlich in das Gesundheitswesen fließen.

Der Protest der Aktionsgruppe richtet sich jedoch nicht nur gegen einzelne Regelungen – vielmehr wird ein grundsätzliches Umdenken im Gesundheitssystem eingefordert. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird als Symbol für das Festhalten an einem bürokratisch überladenen, unterfinanzierten und unsozialen System gewertet.

Ein zentrales Problem bleibt laut der Aktionsgruppe der fortschreitende Personalmangel: Der Mangel an Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Therapeutinnen ist im Alltag längst Realität. Lange Wartezeiten, überfüllte Notaufnahmen und große Distanzen zur nächsten Klinik sind vielerorts an der Tagesordnung – insbesondere in dünn besiedelten Gebieten. Die neue Bundesregierung habe es laut Kritik versäumt, diesem Missstand mit konkreten Maßnahmen wie dem Ausbau von Studienplätzen oder mehr Ausbildungskapazitäten zu begegnen.

Ein weiterer Streitpunkt ist das sogenannte Primärarzt-System, das laut Koalitionsvertrag gestärkt werden soll. Ziel ist es, den Hausarzt als erste Anlaufstelle zu etablieren, bevor eine Überweisung zur Fachärztin oder zum Facharzt erfolgt. Die Aktionsgruppe warnt jedoch vor negativen Konsequenzen: In der Praxis bedeutet dies für die Patienten oft doppelte Wege, längere Wartezeiten und doppelte Bürokratie – insbesondere im ländlichen Raum, wo ohnehin schon weite Strecken zurückgelegt werden müssen.

Auch in puncto Bürokratieabbau ist aus Sicht der Aktionsgruppe keine Entlastung in Sicht. Im Gegenteil: Neue Antragsverfahren, Strukturprüfungen und Dokumentationspflichten werden als zusätzliche Belastung für medizinisches Personal gesehen. Statt sich um Patientinnen und Patienten kümmern zu können, würden Ärztinnen, Pfleger und Verwaltungsmitarbeiter zunehmend an den Computer gezwungen.

Nicht zuletzt kritisiert die Initiative auch, dass die geplante Krankenhausreform zentrale Grundsätze des föderalen Systems untergräbt. Die Krankenhausplanung sei verfassungsrechtlich Aufgabe der Bundesländer – die neue Bundesregierung jedoch greife mit bundesweit einheitlichen Vorgaben tief in diese Zuständigkeit ein. Dabei würden regionale Unterschiede zwischen ländlichen Gebieten und urbanen Ballungsräumen nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Aktionsgruppe warnt abschließend davor, dass weniger Klinikstandorte und geringere Bettenkapazitäten im Ernstfall – sei es eine Pandemie, ein Katastrophenfall oder kriegerische Auseinandersetzung – gravierende Folgen haben könnten. Für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem sei eine bedarfsgerechte Versorgung, flächendeckende Kliniklandschaft und eine deutliche Aufstockung des Personals unverzichtbar. Auch wenn der Teilerfolg beim Leistungsgruppen-Grouper ein wichtiges Signal sei – die grundlegenden Herausforderungen in der deutschen Krankenhauslandschaft bleiben bestehen. Und was bleibt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Krankenhausreform? – eine Grafik [➚] der „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“.

Kommentare