App gegen den Herztod – Ebern ist noch nicht dabei

Die Idee klingt einfach, die Umsetzung verspricht Leben zu retten: Wer in Deutschland einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet, könnte künftig schneller Hilfe bekommen – nicht nur vom Rettungsdienst, sondern auch von professionellen Ersthelferinnen und Ersthelfern, die sich über eine Smartphone-App alarmieren lassen. Doch während Städte wie Nürnberg seit dem 1.10.25 die „Region der Lebensretter“-App [➚] eingeführt haben, zeigt ein Blick auf die Karte: Ebern gehört weiterhin zu den weißen Flecken. In der Region um Ebern ist das Problem wohl vielschichtig. Zum einen fehlen möglicherweise Helferinnen und Helfer, die sich in der App registrieren. Zum anderen ist das Krankenhaus Ebern von der Schließung bedroht – zum Jahresende soll es nach einem Beschluss des Verwaltungsrats der Haßberg-Kliniken seine Türen schließen. Eine Petition [➚] versucht zwar, den Standort zu erhalten. Doch wenn die Klinik tatsächlich verschwindet, entsteht in der wohnortnahen Versorgung eine erhebliche Lücke. Für...

Verschwundene Gebäude als Klimarisiko – Studierende schlagen Alarm


In vielen deutschen Städten verändert sich das Gesicht der Stadt leise, aber tiefgreifend – durch neue Fassaden und durch Lücken, die zurückbleiben. In Coburg hat sich eine Gruppe Studierender zusammengeschlossen, um ihre Stimme gegen diese Entwicklung zu erheben. Ihr Anliegen: Der zunehmende Abriss von Gebäuden, oft ohne nachhaltige Abwägung von Alternativen. Unter dem Namen „Kollektiv Abriss.Wieso?“ [➚] zeigen Studierende der Hochschule Coburg auf, dass nicht nur historische, sondern auch funktionale Bauten verschwinden – mit Folgen, die weit über das Stadtbild hinausreichen.

In der vergangenen Woche organisierten die engagierten Architekturstudierenden einen öffentlichen Stadtspaziergang durch die Coburger Innenstadt. Dabei zeigten sie Orte auf, an denen einst belebte oder bedeutende Gebäude standen – heute sind dort leere Flächen, Parkplätze oder Neubauten ohne Bezug zur gewachsenen Struktur. Ob Schillerplatz oder Lohgraben, ob Leerstand oder Umnutzungspotenzial – die Botschaft war klar: Jeder Abriss ist auch ein Eingriff in die Geschichte und Zukunft einer Stadt.

Doch nicht nur Coburg ist betroffen. Die Kritik der jungen Aktivistinnen und Aktivisten richtet sich gegen ein strukturelles Problem, das in vielen Städten sichtbar wird – auch im ostunterfränkischen Ebern. Dort zeigen sich nämlich die Auswirkungen dieser Praxis deutlich. Zwei prominente Beispiele stehen sinnbildlich für den Umgang mit baulichem Erbe: der Abriss der ehemaligen Berufsschule und des traditionsreichen Gasthofs Post. Beide Gebäude waren nicht nur groß und markant, sondern wären auch potenzielle Träger neuer Nutzungen gewesen – sei es für Kultur, altersgerechtes Wohnen oder gemeinschaftliche Projekte. Dennoch wurden sie abgerissen. Nicht etwa wegen akuter Baufälligkeit, sondern im Zuge eines Trends, der vielerorts zur Norm geworden ist: Abriss statt Sanierung.

Doch der Rückbau beschränkt sich in Ebern nicht auf alte Gebäude. Man denke an die BayWa, und im Stadtteil Sandhof fielen gleich zwei relativ neue Autohäuser dem Abrissbagger zum Opfer – an ihrer Stelle entstanden Supermärkte. Ein wirtschaftlicher Vorteil für die Betreiber? Vielleicht. Ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen? Wohl eher weniger.

Selbst der alte Bahnhof, einst ein markanter Ort mit Geschichte, wurde in Ebern abgerissen. Und auch die Innenstadt bleibt nicht verschont – auch hier verschwindet alte Bausubstanz. All das geschieht nicht im luftleeren Raum: Jede Abrissentscheidung sendet Signale – über Prioritäten, über den Umgang mit Ressourcen, über die Frage, was eine Altstadt ausmacht.

Wie tiefgreifend die Folgen einer solchen Entwicklung sind, zeigen aktuelle Zahlen. Laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) [➚] entstehen in Deutschland jährlich über 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle – das entspricht mehr als der Hälfte des gesamten Abfallaufkommens des Landes. Es geht dabei nicht nur um Schutt und Ziegel, sondern auch um die sogenannte „graue Energie“: jene Energie, die bereits bei Bau, Transport und Verarbeitung eines Gebäudes aufgewendet wurde. Geht ein Gebäude verloren, geht auch diese Energie verloren – unwiederbringlich.

Besonders brisant: Die Herstellung, Nutzung und der Betrieb von Gebäuden verursachen laut DUH rund 40 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands. Das macht den Bausektor zu einer der zentralen Stellschrauben im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Ein gezielter Erhalt bestehender Bauten könnte daher immense Einsparpotenziale bieten.

Eine Hochrechnung der DUH verdeutlicht: Die Sanierung eines bestehenden Gebäudes verursacht im Schnitt ein Drittel weniger Emissionen als ein Neubau. Würden mehr Bestandsbauten erhalten und modernisiert statt abgerissen, könnten jährlich bis zu 1,1 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. Ein beachtliches Einsparpotenzial, das bislang nur unzureichend genutzt wird.

Aus diesem Grund fordert die DUH ein Abrissmoratorium – ein vorläufiges Aussetzen von Abrissmaßnahmen, bis eine gesetzlich verpflichtende Genehmigungspflicht mit ökologischer Bilanzierung eingeführt wird. Ziel ist es, Abrissentscheidungen transparenter, nachvollziehbarer und vor allem nachhaltiger zu gestalten.

Was also führt dazu, dass selbst neuwertige Gebäude wie die Autohäuser in Sandhof oder funktionale Altbauten wie die ehemalige Berufsschule so leicht aufgegeben werden? Die Ursachen sind vielfältig. Einerseits steht der wirtschaftliche Druck: Neubauten sind in der Regel einfacher zu planen, die Vorschriften lassen sich leichter umsetzen, und Investoren kalkulieren mit effizienteren Flächenkonzepten. Die Sanierung eines Altbaus hingegen gilt oft als kompliziert, kostspielig und riskant – nicht zuletzt wegen strenger energetischer Vorgaben, Brandschutzauflagen oder barrierefreier Erschließung.

Hinzu kommt ein gewisser kultureller Wandel: Das Neue gilt als modern, als sauber, als fortschrittlich. Alte Gebäude hingegen werden oft mit Problemen assoziiert – Leerstand, Schimmel, schlechte Dämmung. Dabei übersehen viele die Chancen, die im Bestand liegen. Genau hier setzt das „Kollektiv Abriss.Wieso?“ an: Es geht nicht darum, jeglichen Abriss zu verbieten, sondern um einen bewussteren Umgang mit bestehenden Gebäuden. „Nicht der Erhalt muss begründet werden, sondern der Abriss“, heißt es in einem offenen Brief, den über 170 Organisationen und Einzelpersonen im Jahr 2022 an Bundesbauministerin Klara Geywitz richteten.

Die Gruppe fordert einen echten Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung – weg vom reflexhaften Rückbau, hin zu einem kooperativen, kreativen und zukunftsfähigen Umgang mit dem Baubestand. „Wir brauchen keine Abrisskultur, sondern eine Umbaukultur“, so das Credo der Studierenden. Statt Lücken zu reißen, solle man Raum schaffen – durch Ideen, durch Beteiligung, durch sorgfältige Planung. Eine Stadt ist mehr als ihre Gebäude, aber auch ihre Gebäude erzählen von der Stadt.

Was in Coburg diskutiert wird und in Ebern deutlich sichtbar ist, spiegelt ein Dilemma, das deutschlandweit Gültigkeit hat: Wie wollen wir unsere Städte in Zukunft gestalten? Die Antworten darauf liegen nicht nur in der Hand von Planern, Investoren oder Behörden, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Die Initiative aus Coburg zeigt: Junge Menschen bringen sich ein, stellen Fragen, entwickeln Visionen. Ihr Stadtspaziergang war kein nostalgischer Rückblick, sondern ein engagierter Ausblick auf das, was möglich wäre – wenn man den Bestand nicht als Problem, sondern als Potenzial begreift.

Wie es in Coburg, Ebern und anderswo weitergeht, wird auch davon abhängen, ob der Wunsch nach einer Bauwende ernst genommen wird. Und ob wir bereit sind, dem vermeintlich Einfachen – dem Abriss – eine nachhaltige, kreative Alternative entgegenzusetzen. Vielleicht ist genau das der erste Schritt in eine neue, verantwortungsbewusstere Stadtzukunft.

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