
Wer früher in Ebern eine Blinddarmentzündung hatte oder einen Oberschenkelbruch, der wusste: Hilfe ist nur wenige Minuten entfernt. Das Krankenhaus Ebern war jahrzehntelang eine tragende Säule der Gesundheitsversorgung für die Stadt und ihr Umland. Die Menschen vertrauten auf schnelle, verlässliche Versorgung – sei es bei Geburten, Unfällen oder akuten medizinischen Notfällen. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Was einst ein vollwertiges Krankenhaus war, wirkt zunehmend wie eine Hülle seiner selbst – schleichend, aber konsequent zurückgebaut. Der drohende Verlust eines ganzen Standorts geht dabei leise vor sich. Doch die Auswirkungen sind gravierend.
Wer heute in Ebern operiert werden muss, muss hoffen, dass es sich um einen kleinen, ambulanten Eingriff handelt – alles andere ist Vergangenheit. Die Chirurgische Station des Krankenhauses Ebern wurde bereits im Jahr 2021 geschlossen. Vorausgegangen war kein Beschluss aus Berlin, sondern eine Entscheidung des Landkreises Haßberge, der für das Krankenhaus die sogenannte Gewährträgerhaftung innehat – also finanziell für das Kommunalunternehmen Haßberg-Kliniken, zu dem auch Ebern gehört, verantwortlich ist.
Inzwischen steht auch die Innere Station auf der Kippe. Ein regionales Strukturgutachten sieht vor, dass diese letzte stationäre Abteilung zurückgefahren wird. Von einer medizinischen Vollversorgung ist Ebern damit weit entfernt. Der Plan des Trägers: Ebern soll zu einem Zentrum für ambulante Facharztversorgung umgewandelt werden. Ein Ort also, an dem noch kleinere Eingriffe durchgeführt und Facharzttermine wahrgenommen werden können – aber kein Ort mehr für lebensrettende stationäre Infrastruktur – eine Abwicklung auf Raten.
Im Zentrum solcher Entscheidungen steht dabei auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Er legt fest, unter welchen Bedingungen Krankenhäuser bestimmte Leistungen erbringen dürfen – zum Beispiel durch sogenannte „Mindestmengen“. Ein Krankenhaus darf eine Operation nur dann anbieten, wenn es sie oft genug im Jahr durchführt. Doch für kleine Häuser wie das in Ebern ist diese Vorgabe ein Todesstoß. Denn in der ländlichen Region ist das Patientenaufkommen naturgemäß niedriger. Werden die Mindestmengen nicht erreicht, dürfen die Leistungen nicht mehr angeboten werden. Die Folge: weniger Patienten, weniger Einnahmen, weniger Personal – ein Teufelskreis, der zur nächsten Kürzung führt.
Dass ausgerechnet die Chirurgie 2021 geschlossen wurde, wirkt vor diesem Hintergrund fast wie ein Lehrbuchbeispiel. Die Entscheidung fiel wohlgemerkt noch vor der bundesweiten Krankenhausreform durch Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Es war ein Schritt des Landkreises Haßberge – jener Instanz, die eigentlich für die Gewährleistung der Krankenhaus-Versorgung verantwortlich ist.
Der Rückzug aus Ebern wird jedoch nicht offen kommuniziert. Stattdessen entsteht für viele der Eindruck, dass der Rückbau bewusst still erfolgt: Immer neue Einschränkungen, aber niemand nennt das Kind beim Namen. Eine offene Diskussion über den Erhalt des Krankenhauses Ebern scheint nicht gewünscht. Die Angst wächst, dass das Krankenhaus sang- und klanglos verschwindet – obwohl es für viele nach wie vor eine zentrale Rolle spielt.
Ein weiteres Problem ist die geografische Lage. Der Umkreis, den das Krankenhaus in Ebern versorgte, beträgt etwa 15 bis 20 Kilometer. Eine Region mit Dörfern, mit langen Wegen – und mit einer Bevölkerung, die oft auf kurze medizinische Wege angewiesen ist. Gerade für ältere Menschen ist der Verlust des Krankenhauses keine abstrakte Statistik, sondern bittere Realität.
Brisant ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion über Entfernungszeiten. Der G-BA legt klar fest: Ein Krankenhaus soll in maximal 30 Minuten erreichbar sein. Diese Grenze gilt als medizinisch sinnvoll, gerade im Notfall zählt jede Minute. Doch der Freistaat Bayern hat jüngst eine eigene Grenze eingeführt: 45 Minuten sollen ausreichen. Ein scheinbar kleiner Unterschied – mit großen Konsequenzen. Denn unter der 30-Minuten-Regel hätte das Krankenhaus Ebern gute Argumente für seinen Fortbestand. Mit der 45-Minuten-Regel jedoch wird seine Existenz in Frage gestellt – schließlich gibt es andere Kliniken im weiteren Umkreis, die innerhalb dieses Zeitrahmens liegen. Für viele wirkt diese Veränderung wie ein Trick, der stillschweigend die Grundlage für weitere Einschnitte schafft.
Doch wer kämpft eigentlich noch für Ebern? In der Bevölkerung ist die Sorge groß. Das Krankenhaus, das so lange ein Gefühl der Sicherheit vermittelte, wirkt zunehmend entkernt. Viele fragen sich: Warum gibt es keine starken Stimmen in der Politik, die den Erhalt fordern? Warum wird nicht lauter auf Missstände hingewiesen? Warum wehrt sich niemand sichtbar gegen die schleichende Auflösung?
Für viele Einwohnerinnen und Einwohner geht es längst nicht mehr nur um wirtschaftliche Fragen. Es geht um Daseinsvorsorge – also das, was der Staat für seine Bürgerinnen und Bürger bereitstellt, auch wenn es sich wirtschaftlich nicht rechnet. Wie Wasser, Strom oder Feuerwehr gehört eigentlich auch ein Krankenhaus dazu. Ein Ort, an dem Leben gerettet werden, der in der Nähe sein muss, wenn etwas passiert. Dieser Gedanke scheint in Ebern und im Landkreis Haßberge verloren zu gehen – und mit ihm das Vertrauen in diejenigen, die eigentlich für Schutz und Versorgung sorgen sollten.
Was bleibt, ist ein Konzept, das viele als Mogelpackung empfinden: Ein Zentrum für ambulante Facharztversorgung mit der Möglichkeit kleiner ambulanter OPs – das klingt modern, ist aber für viele ältere Patienten keine praktikable Lösung. Wer nach einem Eingriff nicht über Nacht bleiben kann, ist auf Angehörige oder den Rücktransport angewiesen. Für viele, die allein leben oder mobil eingeschränkt sind, ist das ein unüberwindbares Hindernis – oder kommt schon aus ärztlicher Sicht gar nicht erst in Frage.
Hinzu kommt: Die Umwandlung in ein ambulantes Zentrum bedeutet nicht, dass mehr Ärztinnen und Ärzte vor Ort sind. Im Gegenteil: Auch in der ambulanten Versorgung gibt es Fachkräftemangel, Terminnot, lange Wartezeiten. Ob Ebern als Facharztzentrum wirklich eine Zukunft hat, bleibt also fraglich.
Derweil macht sich in der Bevölkerung das Gefühl breit, dass nicht mit offenen Karten gespielt wird. Der Träger, das Kommunalunternehmen Haßberg-Kliniken, hält sich mit konkreten Aussagen zurück. Entscheidungen werden getroffen, aber selten klar begründet oder erläutert. Die Schritte wirken planvoll – aber eben nicht transparent. Statt klar „Schließung“ zu sagen, wird Stück für Stück reduziert. Für die Menschen in Ebern und Umgebung fühlt es sich dennoch genau so an: als würde ihr Krankenhaus verschwinden.
Die Uhr tickt – nicht für die nächste Reform, sondern für das Krankenhaus Ebern. Und mit jedem Tag, an dem nicht offen gesprochen wird, wird der Weg zurück schwerer.
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