
Still und beiläufig ist der Umzug der gynäkologischen Praxis des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) von Eltmann nach Ebern vollzogen worden. Ohne Vorankündigung, ohne nachhaltige Erklärung und ohne größeres Aufsehen. Der Standortwechsel sei Teil einer strategischen Neuausrichtung, erklärt der Träger – die Haßberg-Kliniken. Ebern und Haßfurt sollen künftig die beiden zentralen Standorte für Facharztpraxen im Landkreis bilden.
Doch kaum wurde der Umzug beschlossen, stellt sich eine neue, viel brisantere Frage: Steht nun auch das Krankenhaus in Ebern vor dem Aus? Eine geplante Komplettschließung – so wie sie aktuell im Raum steht – würde einen weiteren Rückschlag für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum bedeuten. Auch hier: kein konkretes Schließungsdatum, keine offizielle Bestätigung, aber ein wachsendes Gefühl der Unsicherheit bei Bevölkerung und Belegschaft. Die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ [➚] schlägt nun öffentlich Alarm.
Zahlen, Daten, Fakten: Eine besorgniserregende Entwicklung
Im Dezember 2024 wurde im Kreistag Haßberge das Ergebnis eines Strukturgutachtens vorgestellt, das die künftige Medizinstrategie der Haßberg-Kliniken maßgeblich bestimmen soll. Dieses regionale Klinikgutachten hat dabei eine klare Richtung vorgegeben: Konzentration statt Vielfalt, Zentralisierung statt dezentraler Versorgung. Für den Klinikstandort Haßfurt bedeutet das Aufwertung – für Ebern jedoch Rückbau.
Konkret: Die internistische Station, die bislang noch in Ebern betrieben wird, würde damit aufgegeben werden. Die laut Gutachten notwendigen Investitionen – etwa für den Aufbau einer Sechs-Betten-Intensivstation – seien nicht zu leisten, so Klinikvorstand Regina Steenbeek-Schacht. Der Standort Ebern soll stattdessen zu einem ambulanten Facharzt- und Pflegezentrum umgestaltet werden.
Damit stünde die stationäre Versorgung in Ebern vor dem Aus. Und das möglicherweise genauso lautlos wie bereits die Verlagerung des MVZ. Auch wenn von offizieller Seite noch nichts Konkretes verkündet wurde, scheint eine Komplettschließung des Krankenhauses in Ebern immer wahrscheinlicher. Die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ sieht hierin ein beunruhigendes Muster – und nicht nur in Ebern.
Laut ihrer Pressemitteilung [➚] vom 2.6.25 seien allein in diesem Jahr acht bayerische Kliniken von Schließung oder Teilschließung betroffen. Darunter befinden sich neben Ebern auch Krankenhäuser in Altdorf, München-Maxvorstadt, Grafenau, Wertingen und Mainburg. Die Umstrukturierung betrifft sowohl Notaufnahmen als auch ganze Fachabteilungen, teilweise sogar komplette Klinikstandorte.
Hintergründe und Kritik: Zentralisierung statt Versorgungssicherheit
Was wie eine sachlich begründete Reorganisation klingt, trifft vor Ort auf Unverständnis und Widerstand. Klaus Emmerich, langjähriger Klinikvorstand im Ruhestand, erhebt in der aktuellen Pressemitteilung schwere Vorwürfe: „Besonders beklagen wir die regionalen Klinikgutachten, die das Bayerische Gesundheitsministerium im Rahmen des 7-Punkte-Plans zur Umsetzung der aktuellen Krankenhausreform fördert. Allen Teilnehmern ist bewusst, dass es hier insbesondere aus ökonomischen Gründen um weitere klinische Konzentrationsprozesse bis hin zu Komplettschließungen versorgungsnotwendiger Krankenhäuser geht.“
Die Aktionsgruppe sieht die Zentralisierungsbemühungen als gefährlich und verfehlt. Sie wirft dem Bayerischen Gesundheitsministerium unter Leitung von Judith Gerlach vor, sich zu sehr mit der bundespolitisch initiierten Krankenhausreform zu arrangieren – anstatt gegenzusteuern. Aus Sicht der Gruppe ist dies fatal, denn gerade im ländlichen Raum ist eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung entscheidend.
Die Forderungen an Ministerin Gerlach sind deshalb deutlich: Die Gruppe verlangt, dass die Ministerin notwendige Änderungen zum Erhalt der wohnortnahen Klinikstruktur in die Reform einbringt, insbesondere die Finanzierung kleinerer Allgemeinkrankenhäuser mit Notfallversorgung. Entscheidend sei, dass bayernweit Allgemeinkrankenhäuser einschließlich Basisnotfallversorgung innerhalb von 30 Fahrzeitminuten erreichbar bleiben. In der Hallertau beispielsweise wären nach der angekündigten Schließung des Krankenhauses Mainburg rund 41.000 Menschen hiervon ausgeschlossen.
Auch für Ebern ist die Erreichbarkeit eine kritische Größe. Zwar liegt Haßfurt im selben Landkreis, aber über der 30-Minuten-Regel, wie der GKV-Kliniksimulator bestätigte. Bei akutem medizinischen Bedarf zählt jede Minute. Lange Fahrzeiten können im Ernstfall Leben kosten. Die Aktionsgruppe fürchtet eine gefährliche Unterversorgung in der Fläche und ein schleichendes Kliniksterben, das sich durch den ganzen Freistaat zieht.
Die Rolle des Gesundheitsministeriums und der kommunalen Entscheidungsträger
Das Bayerische Gesundheitsministerium betont in offiziellen Stellungnahmen stets, dass die Umsetzung der Krankenhausreform auch in Bayern notwendig sei – und dass Veränderungen nicht vermeidbar wären. Auch Ministerin Judith Gerlach verteidigte bislang die durch regionale Klinikgutachten gestützten Entscheidungen als zukunftsorientiert. Doch in der Bevölkerung wächst der Eindruck, dass wirtschaftliche Erwägungen mittlerweile stärker wiegen als das gesundheitliche Wohl.
Besonders bitter stößt vielen auf, dass zentrale Informationen über Veränderungen oft nur schleppend oder gar nicht kommuniziert werden. Der Fall Ebern ist hierfür beispielhaft: Dass der internistische Betrieb zur Disposition steht, wurde nicht in einer öffentlichen Mitteilung erklärt, sondern lediglich in der Präsentation des Klinikgutachtens angedeutet.
Kritiker werfen dem Gesundheitsministerium sowie den Haßberg-Kliniken mangelnde Transparenz und eine strategisch getarnte Abwicklung wohnortnaher Versorgung vor. Statt frühzeitiger Beteiligung der Bevölkerung oder offener Diskussionen über Alternativen, würden Fakten geschaffen, die sich erst im Nachhinein als strukturelle Rückzüge aus der Fläche entpuppen.
Widerstand formiert sich – doch mit welchen Erfolgschancen?
Die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ ist längst nicht mehr nur eine lokale Initiative. Sie vernetzt kommunale Bündnisse, Klinikmitarbeiter und Bürgerinitiativen in ganz Bayern. Der Protest gegen Klinikschließungen ist zur Bewegung geworden – getragen von der Sorge, dass medizinische Daseinsvorsorge zur Verfügungsmasse von Reformprozessen wird, deren Folgen sich erst Jahre später zeigen werden.
Ob das Krankenhaus Ebern tatsächlich vollständig geschlossen wird, ist derzeit noch ein Stück offen. Doch der Kurs scheint vorgezeichnet. Ohne politische Kehrtwende in Berlin und München – oder massiven öffentlichen Druck – dürfte die Zukunft des Standorts Ebern ungewiss bleiben. Die Aktionsgruppe jedenfalls will nicht schweigen. Ihr Appell an Ministerin Gerlach ist deutlich: Kein Arrangement mit einer Reform, die ländliche Regionen abhängt. Kein Rückzug aus der Fläche. Und vor allem: Keine Komplettschließung ohne ehrliche Erklärung.
Denn was heute nur als Strategiepapier vorgestellt wird, kann morgen zur Realität werden – und für viele Regionen wie Ebern das abrupte Ende einer jahrzehntelangen medizinischen Infrastruktur bedeuten.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen