
Ein Eingriff in Bürgerrechte? Die bayerische Staatsregierung plant offenbar eine tiefgreifende Einschränkung demokratischer Mitbestimmung – Bürgerentscheide über den Erhalt kommunaler Krankenhäuser sollen künftig nicht mehr möglich sein.
Der Plan, Bürgerentscheide über den Erhalt kommunaler Krankenhäuser künftig auszuschließen, sorgt landesweit für Empörung. Besonders scharf äußert sich die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“, die in einer aktuellen Pressemitteilung [➚] vom 24.6.25 von einem regelrechten „Skandal“ spricht. Die Organisation wirft der Staatsregierung vor, die demokratischen Rechte der Bevölkerung massiv zu beschneiden – und das in einem Bereich, der für viele Menschen existenziell ist: die medizinische Versorgung vor Ort.
Die Diskussion über die Rolle der Bürger in der Krankenhauspolitik hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Immer mehr kommunale Kliniken stehen auf der Kippe – aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen geänderter Versorgungsstrukturen. Doch nun soll der politische Protest der Bevölkerung offenbar systematisch ausgehebelt werden. „Bürgerentscheide zum Erhalt kommunaler Krankenhäuser könnten künftig ausgeschlossen sein“, erklärte der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein [➚] in einem Interview. Als Begründung führt er an, dass die Krankenhausplanung häufig durch Vorgaben des Bundes bestimmt sei, an die sich die Länder zu halten hätten.
In Bayern herrscht längst kein flächendeckendes Netz an Allgemeinkrankenhäusern mehr. Die Versorgungslage hat sich vor allem in ländlichen Regionen verschärft. Bereits heute liegt die 30-Minuten-Erreichbarkeit eines Krankenhauses mit Basisnotfallversorgung in vielen Teilen des Freistaats nur noch knapp über dem Limit – Tendenz fallend. Die Landespolitik hatte sich einst verpflichtet, diesen Versorgungsstandard zu gewährleisten. Kritiker sehen dieses Ziel jedoch zunehmend gefährdet.
Vor diesem Hintergrund hat die „Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ eine Petition eingereicht, in der sie fordert, den geplanten Ausschluss von Bürgerentscheiden zurückzunehmen. Die Petition wurde jedoch vom Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags abgelehnt. Grundlage der Ablehnung war eine Stellungnahme der zuständigen Gesundheitsministerin Judith Gerlach. Sie betonte, es gebe keinen solchen Ausschluss. Die Aktionsgruppe widerspricht vehement und verweist auf „entsprechende Nachweise“, die belegen sollen, dass Bürgerentscheide in der Praxis sehr wohl verhindert werden sollen.
Die Kritik an der Staatsregierung ist deutlich. Die Aktionsgruppe wirft ihr vor, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes untergraben zu wollen. Dieses Recht dürfe nicht durch Strukturvorgaben des Bundes relativiert werden. Die Bürger, so der Vorwurf, würden durch das Vorhaben entmündigt und in ihrer Rolle als Souverän einer Demokratie geschwächt.
Warum überhaupt dieser Schritt? Beobachter vermuten hinter dem Vorstoß der Regierung einen Versuch, unangenehme politische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Bürgerentscheide sind häufig unbequem, wenn sie dem wirtschaftspolitischen Kurs der Verantwortlichen widersprechen. Besonders in kleineren Gemeinden kann der politische Druck groß werden, wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Schließung „ihres“ Krankenhauses ausspricht. Diese Konflikte könnten mit einem Ausschluss der Mitbestimmung weitgehend vermieden werden – so zumindest das Kalkül hinter der Reform, vermuten Kritiker.
Der Ausschluss der Bürgerbeteiligung in einer so sensiblen Frage wie der medizinischen Versorgung laufe der demokratischen Ordnung zuwider, erklärt die Aktionsgruppe. Es gehe nicht nur um Standorte und Kosten, sondern um Leben und Gesundheit der Menschen. Gerade in Zeiten wachsender Politikverdrossenheit erscheint es fatal, der Bevölkerung weitere Beteiligungsmöglichkeiten zu entziehen.
Die politische Debatte um Bürgerrechte und Mitbestimmung ist nicht neu, aber im Kontext der Gesundheitspolitik besonders brisant. Während viele Politiker betonen, dass Demokratie nicht nur am Wahltag stattfinde, zeigt sich in der Praxis ein anderes Bild. In ihrer Pressemitteilung beklagt die Aktionsgruppe die Missachtung der Interessen der Bevölkerung „zwischen den Wahlen“. Die Enttäuschung ist groß – und das Vertrauen in die politische Führung schwindet zusehends.
Als Reaktion auf die Blockade im Landtag hat die Aktionsgruppe nun eine Online-Umfrage [➚] gestartet. Auf der Plattform „Google Docs“ können sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen – ohne Anmeldung und unkompliziert. Die Fragestellung: „Sind Sie dafür, dass bayerische Einwohner nicht mehr in Bürgerentscheiden gegen Klinikschließungen abstimmen dürfen?“ Mit dieser digitalen Beteiligung wolle man zumindest ein Stimmungsbild einfangen – und ein Zeichen setzen gegen das politische Schweigen, so die Gruppe.
Die Initiatoren rufen zur breiten Teilnahme auf. Es gehe nicht nur um Einzelentscheidungen, sondern um ein Grundprinzip: Die demokratische Einbindung der Bevölkerung in Fragen, die sie unmittelbar betreffen.
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