Gut acht Monate vor den Kommunalwahlen im März 2026 herrscht in Ebern eine auffällige Stille. Während in anderen Regionen bereits erste Kandidaten ihre Ambitionen erklären, bleibt in Ebern bislang offen, wer das Rennen um das Bürgermeisteramt aufnehmen wird. Die Zurückhaltung spiegelt auch ein größeres Problem wider, das viele ländliche Gemeinden zunehmend beschäftigt.
Der amtierende Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) hält sich bislang bedeckt. Eine offizielle Erklärung zu einer möglichen erneuten Kandidatur gibt es nicht. Auch von Seiten der im Stadtrat vertretenen Parteien – CSU und Freie Wähler – ist bisher kein Signal zu vernehmen. Beide Fraktionen haben sich während der laufenden Wahlperiode politisch eher unauffällig verhalten, Profilierung: eher nicht.
Die Grünen sowie die Junge Union spielen in Ebern nur eine untergeordnete Rolle. Erwartet wird hier kaum eine Initiative in Richtung Bürgermeisterkandidatur. Bei den Freien Wählern steht anderes auf der Agenda: Sie beschäftigten sich zuletzt mit einer Namensänderung – ein deutliches Zeichen dafür, dass strategische Wahlvorbereitungen offenbar noch nicht im Fokus stehen.
Bleibt die CSU. Doch auch hier sind noch keine ernstzunehmenden Ambitionen zu erkennen. Die sonst so machtbewusste Partei scheint in Ebern entweder auf den richtigen Moment zu warten – oder schlicht niemanden in den eigenen Reihen gefunden zu haben, der bereit wäre, das Bürgermeisteramt zu übernehmen. Überraschungen von neuen Parteien oder Wählergruppen? In Ebern äußerst unwahrscheinlich. Anders sieht es dagegen in Schweinfurt aus.
Der steinige Weg einer Unabhängigen
Während Ebern noch rätselt, wie es politisch weitergeht, zeigt sich in Schweinfurt ein völlig anderes Bild: Dort hat sich mit Sandra Grätsch [➚] eine unabhängige Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin ins Rennen gewagt – und bekommt die Tücken des Systems deutlich zu spüren.
Grätsch möchte in Schweinfurt einen politischen Neuanfang einleiten. Sie wirbt für Transparenz, Bürgernähe und mehr Mitbestimmung. Doch die Realität im Kommunalwahlkampf stellt sich als Hürdenlauf dar. Bereits die formalen Voraussetzungen schrecken ab: Wer sich ohne die Rückendeckung einer großen Partei um das Amt bemüht, muss nicht nur eine Aufstellungsversammlung organisieren, sondern auch 340 Unterstützerunterschriften vorlegen. Früher war das an öffentlichen Ständen möglich – heute müssen die Unterstützer persönlich ins Rathaus kommen, um ihre Unterschrift zu leisten.
Diese neue Regelung sei eine unübersehbare Hürde, erklärt Grätsch. Sie erschwere nicht nur ihre Arbeit, sondern würde auch das Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger erheblich einschränken. Besonders kritisch sieht sie, dass politische Veranstaltungen oft nur den Kandidaten der etablierten Parteien eine Bühne bieten. Für unabhängige Bewerber wie sie bleibt meist nur der Platz am Rand.
Politische Ämter auf dem Land: ein Job mit wenig Anziehungskraft
Was sich in Ebern derzeit abzeichnet, ist kein Einzelfall. Immer mehr Gemeinden auf dem Land haben Schwierigkeiten, geeignete Bürgermeisterkandidaten zu finden. Dabei ist die Position gut bezahlt und bietet Gestaltungsspielraum. Doch das Interesse am Amt ist gering. Zu hoch scheinen Belastung, Erwartungsdruck und öffentliche Verantwortung. Gleichzeitig fehlt vielen Kommunalpolitikern das Vertrauen in ausreichende Unterstützung – sei es von der eigenen Partei, aus der Bevölkerung oder durch professionelle Strukturen.
In kleineren Städten wie Ebern, wo das politische Leben überschaubar und stark persönlich geprägt ist, fällt die Suche nach Kandidaten besonders schwer. Ein charismatischer Neuling, der sich gegen die eingefahrenen Kräfte behauptet und neue Impulse gibt? Wunschdenken. Der Rückgriff auf bereits bekannte Gesichter? Wahrscheinlich. Und so scheint es fast, als warte ganz Ebern auf ein Zeichen von SPD und CSU.
Chancengleichheit und strukturelle Ungleichheiten im Kommunalwahlkampf
Was Sandra Grätsch in Schweinfurt erlebt, verdeutlicht, dass Chancengleichheit bei Kommunalwahlen oftmals nur auf dem Papier existiert. Der Wahlkampf ist für unabhängige oder neue Kandidaten mit hohen Hürden verbunden – strukturell, organisatorisch und medial. Die Regeln des Spiels sind nicht für alle gleich. Während etablierte Parteien auf gewachsene Netzwerke und finanzielle Mittel zurückgreifen können, bleibt vielen anderen nur der mühsame Kampf um Sichtbarkeit.
„Ich will eine echte Wahl für Schweinfurt“, sagt Grätsch. Damit meint sie nicht nur ihre persönliche Kandidatur, sondern auch den Zugang zum politischen Prozess. Ihre Kritik trifft einen wunden Punkt: Demokratie setzt Wahlfreiheit voraus – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.
Auch in Ebern wäre mehr Auswahl wünschenswert. Doch davon ist man derzeit weit entfernt. Wenn sich keine neuen Gesichter zeigen, wenn politische Gegenentwürfe fehlen und wenn die parteilichen Strukturen schweigen, bleibt von der Wahl am Ende womöglich nur noch der Anschein eines Wettbewerbs.
Ebern zwischen Stillstand und Erwartung
Was folgt für Ebern? Im Moment: eine Mischung aus Abwarten und Resignation. Keine Visionen, keine Programme, keine Richtung – und vor allem: keine Namen. Dass die CSU bislang keine Kandidatur verkündet hat, könnte strategisches Kalkül sein. Es ist aber genauso gut möglich, dass sich schlicht niemand findet, der bereit ist, den Posten zu übernehmen.
Auch die SPD scheint sich mit einem langen Schweigen auf eine mögliche Wiederkandidatur von Jürgen Hennemann einzustellen – oder auf ein personelles Vakuum, das man mit Mühe füllen muss. Und bei den Freien Wählern scheint man aktuell mit sich selbst genug beschäftigt zu sein.
So bleibt Ebern ein Beispiel für die Herausforderungen, mit denen viele Kommunen bei den Kommunalwahlen im März 2026 konfrontiert sein werden. Die Personalfrage ist längst nicht mehr nur eine parteipolitische, sondern eine systemische. Wer geleitet die Stadt in die Zukunft, wenn niemand mehr an die Spitze will?
Während in Schweinfurt eine unabhängige Kandidatin gegen politische Strukturen kämpft, herrscht in Ebern weitgehend Schweigen. Die Kommunalwahlen im März 2026 rücken näher. Dass Demokratie auch auf kommunaler Ebene mehr als ein Verwaltungsakt ist, zeigt Sandra Grätsch in Schweinfurt. Ihre Kritik an den bestehenden Bedingungen ist unbequem, aber notwendig.
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