Der Itz- und Baunachgrund zeigt sich in diesen Tagen noch vergleichsweise ruhig, doch am Himmel kündigt sich bereits ein Ereignis an, das jedes Jahr aufs Neue Naturfreunde in seinen Bann zieht: der Kranichzug. Noch fliegen die großen Schwärme nicht geschlossen über die Region, doch erste Formationen wurden bereits gesichtet. Beobachter berichten, dass die markanten Rufe der Vögel mancherorts schon zu hören sind – ein akustisches Zeichen, dass die Reise in die Winterquartiere begonnen hat. Mitte September machen sich die Kraniche traditionell auf den Weg, und in diesem Jahr scheint der Startschuss besonders früh gefallen zu sein.
Die Anzeichen dafür sind unübersehbar. Während im Itz- und Baunachgrund bisher nur einzelne Trupps in V-Formation vorbeizogen, steigen die Zahlen an den bekannten Sammelplätzen deutlich. Am Hornborga-See in Südschweden wurden bereits vor einer Woche rund 18.800 Tiere gezählt. Auch an der Darß-Zingster Boddenkette und auf Rügen versammelten sich etwa 9.170 Kraniche. Fachleute deuten diese wachsenden Bestände als Hinweis darauf, dass sich die Hauptwelle des Zuges bald formieren wird.
Doch wann genau sich der Himmel über Deutschland mit den großen Schwärmen füllen wird, bleibt offen. Normalerweise erreicht die Zugbewegung im Oktober ihren Höhepunkt. Dieses Jahr aber scheinen die majestätischen Vögel früher aufzubrechen. Meteorologen verweisen auf kühlere Temperaturen im September, die das Verhalten beschleunigt haben könnten. Gleichzeitig spielt die längerfristige klimatische Entwicklung eine Rolle: Kraniche passen ihren Rhythmus zunehmend flexibel an, was bedeutet, dass bereits im Spätherbst kleinere Gruppen unterwegs sein können, während die großen Formationen erst später folgen.
Für Beobachter in der Region rund um Ebern ist diese Dynamik deutlich spürbar. Erste Ansammlungen zeigen, dass die Tiere bereit sind, ihre lange Reise anzutreten. Wer in diesen Tagen aufmerksam zum Himmel blickt, kann die charakteristischen V-Formationen erkennen, mit denen die Vögel energiesparend gen Süden gleiten. Dabei geht es nicht nur um ein faszinierendes Naturschauspiel, sondern auch um einen Vorgang von erstaunlicher Präzision. Der Formationsflug ermöglicht es den Tieren, mit weniger Kraftaufwand größere Distanzen zurückzulegen. Gleichzeitig bleiben sie über ihre unverkennbaren Rufe in ständigem Kontakt.
Viele Tiere sammeln sich zunächst in Skandinavien, bevor sie die offene See nach Deutschland überqueren. Zwischen den Küsten liegen etwa 80 Kilometer – eine Distanz, die die Vögel je nach Wetterlage in ein bis zwei Stunden hinter sich bringen. Doch diese Etappe verlangt ihnen alles ab: Über dem Meer fehlen thermische Aufwinde, die ihnen über Land helfen, Höhe zu gewinnen. Stattdessen sind die Tiere gezwungen, ununterbrochen mit den Flügeln zu schlagen. Um die Überfahrt möglichst effizient zu gestalten, versuchen sie, bereits in Südschweden zusätzliche Höhe zu erreichen. Dennoch sinken viele Kraniche beim Anflug auf Deutschland auf Höhen von nur 50 bis 250 Metern ab – ein Zeichen für die Strapazen dieser Passage.
Dass sie sich dieser Mühe unterziehen, liegt an den klimatischen Bedingungen ihrer Brutgebiete. Wenn die Temperaturen sinken und die Nahrung knapp wird, zwingt die Natur sie zum Aufbruch. In den Winterquartieren, die sich oft auf der Iberischen Halbinsel oder in Nordafrika befinden, finden sie ausreichend Nahrung und ein milderes Klima. Der Weg dorthin ist jedoch lang und beschwerlich, oft über mehrere tausend Kilometer. Die Rastplätze in Nord- und Mitteldeutschland, darunter auch Regionen wie der Itz- und Baunachgrund, sind daher entscheidend für das Überleben der Tiere. Hier können sie Kraft sammeln, bevor sie ihre Reise fortsetzen.
Der frühe Start des Zuges in diesem Jahr macht deutlich, wie flexibel die Kraniche auf Veränderungen reagieren. Ornithologen weisen darauf hin, dass die Tiere ihr Verhalten zunehmend an aktuelle Wetterlagen anpassen. Statt sich starr an Kalenderdaten zu halten, reagieren sie auf Temperatur, Wind und Nahrungsangebot. Diese Anpassungsfähigkeit könnte in Zeiten des Klimawandels ein entscheidender Vorteil sein. Gleichzeitig verändert sich dadurch auch das Bild, das Beobachter jedes Jahr erwarten: Mal ziehen die großen Schwärme früher, mal später, manchmal in mehreren kleineren Etappen.
Wer in den kommenden Wochen den Blick zum Himmel richtet, dürfte also noch viele Gelegenheiten haben, die Reise der Kraniche mitzuerleben. Ihr Zug markiert nicht nur den Übergang vom Sommer zum Herbst, sondern ist auch ein Beispiel für den Rhythmus der Natur. Im Itz- und Baunachgrund, rund um Ebern und darüber hinaus, wird er wie jedes Jahr für Naturbeobachter zu einem eindrucksvollen Schauspiel.
Symbolbild (Ausschnitt, verändert): „Grus grus in Rotes Luch Märkische Schweiz 2022-05-11 32“, Leonhard Lenz, Lizenz: CC0 1.0 Universell (gemeinfrei), eingebettet via Wikimedia Commons
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