Ebern: Straßennamen als Stolperfallen der Erinnerung


In Ebern steht noch die Schaffung eines neuen Baugebietes aus. Auf dem Gelände der ehemaligen Berufsschule sollen neue Wohngebäude entstehen. Mit diesem Vorhaben verbindet sich auch die Frage nach neuen Straßennamen – eine Entscheidung, die auf den ersten Blick banal wirken mag, in Wirklichkeit aber weitreichende Folgen haben kann. Denn Straßennamen sind nicht bloß nüchterne Wegweiser, sondern Spiegel gesellschaftlicher Werte, Träger historischer Erinnerung und oftmals auch Anlass für hitzige Debatten.

Rein rechtlich ist die Lage klar geregelt. Nach Artikel 52 Absatz 1 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes obliegt die Benennung den Kommunen. Vorschläge können von der Bürgerschaft, der Stadtverwaltung oder den Stadtratsgremien eingebracht werden, die Entscheidung selbst fällt im Stadtrat oder in einem Ausschuss. In vielen Orten, so auch in Ebern, wurde in der Vergangenheit auf verschiedene Quellen zurückgegriffen: auf alte Flur- und Ortsbezeichnungen, auf Flora und Fauna oder auf prominente Namen. Doch gerade Letzteres hat sich nicht selten als problematisch erwiesen.

Dass die Auswahl von Namensgebern für Straßen ein sensibles Feld ist, zeigt ein Blick auf zwei Negativbeispiele in Ebern. Die Nikolaus-Fey-Straße erinnert an einen Autor, der während der NS-Zeit nicht nur mitlief, sondern als Zensor und Propagandist in Erscheinung trat. Die Julius-Echter-Straße wiederum ehrt einen Bischof, der als Mitverantwortlicher für grausame Hexenverfolgungen im Hochstift Würzburg gilt. Beide Namen wurden in einer Zeit vergeben, in der kritische Distanz zu historischen Figuren oft fehlte. Eine nachträgliche Umbenennung wäre zwar möglich, stößt jedoch erfahrungsgemäß auf erheblichen Widerstand. Weniger aus Sympathie für die belasteten Namensgeber, sondern aus ganz praktischen Gründen: Wer dort wohnt, müsste Ausweise, Bankunterlagen oder Versicherungspolicen ändern – ein bürokratischer Aufwand, den die meisten verständlicherweise scheuen.

Die Diskussion zeigt, wie trügerisch der scheinbar einfache Griff nach bekannten Persönlichkeiten sein kann. Geschichte ist ein bewegliches Konstrukt. Was heute als positives Beispiel gilt, kann morgen kritisch hinterfragt werden. Heldenstatus ist selten von Dauer. Deshalb raten Historiker und andere Fachleute inzwischen verstärkt zur Zurückhaltung. Zahlreiche Städte haben Kriterienkataloge entwickelt, die zumindest Leitplanken für künftige Benennungen darstellen: Eine Straße sollte nur dann nach einer Persönlichkeit benannt werden, wenn deren Lebensleistung unbestritten und durch ein Gutachten belegt ist. Auch fordern viele Kommunen, dass die Betroffenen mindestens zehn Jahre verstorben sein müssen – eine Art Sicherheitsabstand, der neue Erkenntnisse berücksichtigt. Geeignet seien etwa Menschen, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder das Gemeinwohl eingesetzt haben oder deren herausragende Leistungen in Wissenschaft, Kunst oder Sport weit über die Region hinaus wirken. Entscheidend sei zudem die Akzeptanz in der Bevölkerung und ein Bezug zum jeweiligen Ort.

Ebern zeigt, dass es zahlreiche Alternativen gibt, ohne in diese heikle Falle zu tappen. Das Potenzial an unverfänglichen Namen ist groß. Naheliegend wären Bezüge zu städtischen Einrichtungen oder verschwundenen Bauwerken: Eine Berufsschulstraße könnte an die alte Schule erinnern, eine Amtsgerichtsstraße an das ehemalige Gericht, eine Krankenhausstraße an das womöglich bald geschlossene Krankenhaus. Auch historische Flurnamen, landschaftliche Besonderheiten oder Erinnerungen an Bauwerke wie den Eulenturm bieten sich an. Solche Benennungen tragen zur Identität der Stadt bei, ohne dass sie künftigen Kontroversen ausgesetzt sind.

Ebenso sinnvoll erscheint es, Orientierungspunkte wie Kreisverkehre offiziell zu benennen. Der Alltag hat bereits inoffizielle Bezeichnungen hervorgebracht – etwa „Tegut-Kreisel“, „Schulkreisel“ oder „FTE-Kreisel“. Doch diese Namen hinken der Realität hinterher: Der Supermarkt Tegut ist längst verschwunden, in direkter Nähe des „Schulkreisels“ befindet sich keine Schule, und FTE heißt seit Jahren Valeo. Für Ortsfremde ist das verwirrend, für Einheimische ein Relikt, das überholt wirkt. Offizielle, klare Namen könnten hier Abhilfe schaffen.

Die Notwendigkeit eindeutiger Straßennamen zeigt sich auch im praktischen Gebrauch. Sie dienen Postzustellern, Rettungsdiensten und nicht zuletzt den Bewohnerinnen und Bewohnern als wichtige Orientierungshilfe. Deshalb sollten Straßennamen kurz, prägnant und leicht verständlich sein. Komplizierte Schreibweisen, phonetisch schwer erkennbare Begriffe oder übermäßig lange Bezeichnungen sind unpraktisch und bürgerunfreundlich. Hier zeigt sich, dass gute Benennung nicht nur eine Frage der Erinnerungskultur, sondern auch der Alltagstauglichkeit ist.

Dass die Benennung von Straßen nach Persönlichkeiten eine Erscheinung der Moderne ist, wird oft übersehen. Über Jahrhunderte hinweg bezogen sich Straßennamen auf Fluren, Handwerkszweige oder Handelsrichtungen. Eine Königshöfer Straße etwa verweist schlicht auf die Richtung der Straße, nicht auf einen Monarchen. Erst in jüngerer Zeit entwickelte sich die Praxis, bedeutende Namen auf Straßenschilder zu heben – oft verbunden mit der Absicht, Ehrungen auszusprechen. Doch was als Auszeichnung gemeint war, kann sich in der Rückschau als Belastung entpuppen.

Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, in Ebern beim neuen Baugebiet bewusst auf andere Konzepte zu setzen. Die Stadt verfügt über eine reiche Geschichte, vielfältige Landschaftsbezüge und zahlreiche ortsprägende Begriffe, die sich für die Benennung eignen. Sie tragen dazu bei, die Identität zu bewahren, ohne künftige Generationen mit problematischen Erblasten zu beschweren.

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