Am Dienstag, 28.10.25, wird es im Valeo-Saal still werden, bevor die Worte einer einzigen Schauspielerin den Raum füllen. Das Theater Schloss Maßbach bringt an diesem Abend um 19:30 Uhr das vielfach ausgezeichnete Monodrama „Prima Facie“ der australischen Autorin Suzie Miller auf die Bühne. Es ist ein Stück, das aufwühlt, verstört – und Fragen stellt, die nicht leicht zu beantworten sind. Die Regie führt Stella Seefried, die Rolle der Tessa übernimmt Anna Schindlbeck. Karten gibt es an der Abendkasse.
Das Stück gilt als intensive Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt und den Strukturen des Rechtssystems. Die Münchener Residenzbühne empfiehlt den Stoff für Zuschauerinnen und Zuschauer ab 14 Jahren. Wer sich also an diesem Abend im Valeo-Saal einfindet, wird mit einer Geschichte konfrontiert, die kein bequemes Zurücklehnen zulässt.
„Prima Facie“ erzählt von Tessa Ensler, einer Strafverteidigerin, die in der juristischen Spitzenliga spielt. Die junge Frau hat es aus einfachen Verhältnissen an eine Eliteuniversität geschafft und gilt in ihrer Kanzlei als Spezialistin für heikle Fälle. Ihre besondere Disziplin: die Verteidigung von Männern, die wegen sexueller Übergriffe angeklagt sind. Tessa versteht es meisterhaft, Widersprüche in den Aussagen von Zeuginnen aufzuspüren und so den Zweifel zu säen, der für einen Freispruch ausreicht.
Der Abend im Valeo-Saal zeigt jedoch nicht nur die glanzvolle Seite einer erfolgreichen Anwältin, sondern vor allem den Moment, in dem dieses Selbstverständnis ins Wanken gerät. Tessa erlebt, was sie sonst nur aus Akten kennt – einen sexuellen Übergriff. Der Täter: ein Kollege, mit dem sie zuvor eine Affäre hatte. Die Frage, ob es sich um eine unbedachte Begegnung im Rausch oder um eine Vergewaltigung handelt, steht plötzlich im Raum. Als sie zur Polizei geht, wechselt Tessa die Perspektive – vom Pult der Verteidigung auf den Stuhl der Zeugin.
Suzie Miller, die Autorin des Stücks, ist nicht nur Dramatikerin, sondern war selbst als Strafverteidigerin tätig, insbesondere im Menschenrechtsbereich. Ihre beruflichen Erfahrungen flossen in das Werk ein, das 2019 im Stables Theatre in Sydney uraufgeführt wurde. Schon damals erhielt es bedeutende Auszeichnungen der Australian Writers’ Guild. Der internationale Durchbruch gelang 2022 in London: Die Westend-Inszenierung wurde für fünf Laurence Olivier Awards nominiert und gewann in der Kategorie „Bestes neues Theaterstück“. Seit Frühjahr 2023 ist „Prima Facie“ auch am Broadway zu sehen.
Die Maßbacher Regisseurin Stella Seefried erklärt, die Geschichte sei erschütternd, gerade weil sie so nah an der Realität vieler Frauen sei. Die Inszenierung in Ebern folgt der erfolgreichen Maßbacher Bühnenfassung und bleibt der Vorlage als Monolog treu: Eine Schauspielerin verkörpert nicht nur Tessa, sondern auch sämtliche anderen Figuren, die in ihrer Erzählung auftauchen.
Der Titel „Prima Facie“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „dem ersten Anschein nach“. In der Rechtssprache wird der Begriff als Synonym für „Anscheinsbeweis“ verwendet – ein Beweis, der so lange gilt, bis das Gegenteil bewiesen wird. Für Tessa bedeutet das juristische Prinzip plötzlich eine persönliche Hürde: In ihrem eigenen Fall sprechen die äußeren Umstände nicht zu ihren Gunsten. Mehrere Flaschen Wein, eine gemeinsame Vorgeschichte und die Unsichtbarkeit innerer Grenzen werden zu Faktoren, die ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen.
Das Stück rückt damit ein zentrales Problem in den Fokus: In Verfahren wegen sexueller Gewalt sind eindeutige Beweise selten, und oft steht Aussage gegen Aussage. Der Zweifel, den Tessa in ihrer bisherigen Karriere für ihre Mandanten nutzte, richtet sich nun gegen sie selbst.
Das Theater Schloss Maßbach ist seit Jahrzehnten für seine Gastspiele in der Region bekannt. Mit „Prima Facie“ präsentiert es in Ebern ein Werk, das sich deutlich von leichter Unterhaltung absetzt. Die künstlerische Leitung vertraut darauf, dass sich das Publikum auch schwierigen Themen stellt.
Die Schauspielerin Anna Schindlbeck steht dabei vor der Herausforderung, einen ganzen Gerichtssaal voller Stimmen in einer einzigen Person zu vereinen. In schnellen Rollenwechseln springt sie zwischen Kolleginnen, Angeklagten, Richtern und der verletzten Hauptfigur hin und her. Das Publikum erlebt so nicht nur den äußeren Prozess, sondern auch Tessas innere Zerrissenheit.
Wer am 28.10.25 im Valeo-Saal Platz nimmt, darf sich auf einen Abend einstellen, der emotional fordert, sprachlich brilliert und juristische Feinheiten ebenso beleuchtet wie menschliche Abgründe.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen